Bad Waldsee – Wer über den Bauernkrieg berichten will, kommt am „Bauernjörg“ nicht vorbei. Truchsess Georg III., Herrscher von der Waldburg, war der militärische Feind der Bauern. Er war der Feldherr, der vom Schwäbischen Bund, dem Zusammenschluss der adligen und kirchlichen Grundbesitzer sowie der Reichsstädte, mit Sitz in Ulm, beauftragt war, die rebellierenden Bauern gewaltsam zur Räson zu bringen. Diesen Auftrag erfüllte der Mitte Dreißigjährige mit brutaler Härte und erfolgreich. Michael Wild kennt den adligen Feldherrn gut. BLIX wollte von dem Historiker wissen, was er weiß.

Herr Wild, als Archivar in Bad Waldsee sind Sie in gewisser Weise Hüter sowohl der Wiege als auch der Gruft des Truchsess von Waldburg, besser bekannt unter seinem Kampfnamen ‚der Bauernjörg‘, der in Waldsee geboren und beerdigt ist. Was hat es mit dem Namen auf sich, was war das für ein Typ?
Georg III. war eine komplexe Person, deren Handeln man im Rahmen ihrer Zeit differenziert betrachten muss. Er war offensichtlich persönlich fähig, eine Art ‚Problemlöser‘, den man mit militärischen oder diplomatischen Aufgaben betrauen konnte, und der für gewöhnlich Erfolge lieferte. Der Name ‚Bauernjörg‘ ist möglicherweise erst seit dem 18. oder 19. Jahrhundert verbreitet, selbst nannte er sich Jörg Truchsess, wie eine Archivale des Jahres 1528 des Stadtarchivs Bad Waldsee belegt.
Georg III. diente verschiedenen Herren und kämpfte auf vielen Schlachtfeldern. Kann man ihn als Kriegsunternehmer bezeichnen?
Als Kriegsunternehmer können wir Feldherren wie Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) ansehen. Diese stellten eigenverantwortlich Heere auf und stellten diese gegen Bezahlung in Diensten. Sicher ist, dass der Bauernjörg Karriere gemacht hat, dies vor allem als Heerführer, aber auch als Diplomat und Politiker. Aber sein Erfolg wäre ohne den Krieg so nicht möglich gewesen, aber von der Position eines Albrecht von Wallenstein war er weit entfernt – der Schwäbische Bund als Auftraggeber des Truchsess hatte ein Kontrollgremium mit drei gewählten Bundeshauptleuten und einundzwanzig Bundesräten, welche ihm Vorgaben machten und ihn kontrollierten.
Der Bauernjörg war wegen seiner brutalen Kriegsführung gefürchtet. Trifft das zu und wenn ja, warum begnügte er sich nicht, dass die Bauern meist in Panik flohen, sondern massakrierte sie auf der Flucht und zerstörte deren Dörfer und Höfe? Der Schriftsteller Martin Walser betitelte ihn deshalb als ‚Waldburger Blutsau‘ (Seelenarbeit, 1979).
Die Kriegsführung des 16. Jahrhunderts war sehr brutal, da ist Georg III. als Feldherr keine Ausnahme. Sieht man sich aber beispielsweise die Schlacht von Wurzach an, so passiert etwas Bemerkenswertes: Nach anfänglichem Artilleriebeschuss flohen die Bauern, und Georg III. hielt Infanterie sowie Reiterei zurück, er ließ sie die Fliehenden also nicht verfolgen. Dörfer und Höfe wurden eigentlich nicht im großen Stil vernichtet, nach dem Bauernkrieg kommt es dabei allerdings noch zu einem anderen Ereignis: Der Schwäbische Bund versucht seine Kosten wieder hereinzuholen und presste den Bauern eine Sondersteuer ab, verbunden mit der Drohung der Brandschatzung. Unzweifelhaft ging der Bauernjörg vor Allem gegen die Anführer der Bauern äußerst brutal vor. Er erhoffte sich davon wohl eine abschreckende Wirkung. Die Aussage Martin Walsers hingegen ist als unhistorisch abzulehnen.
Der Weingartener Friedensvertrag war eine Ausnahme. Wie kam es dazu?
Das lässt sich in Kürze nicht beantworten. In Weingarten stand das Heer des Schwäbischen Bundes einer großen Zahl an Bauern und Landsknechten gegenüber. Georg III. hoffte auf Kriegsheimkehrer aus Italien, welche nach der Schlacht von Pavia entlassen wurden. Diese arbeitslosen Veteranen warb er an, weswegen er wohl auf Zeit spielte. Die Motivlage der Bauern war wahrscheinlich komplizierter und ist noch nicht ausreichend erforscht.
Bei Wurzach fand, wie schon erwähnt, kurz vor dem Weingartener Friedensvertrag eine Schlacht statt auf eigenem Grund und Boden des Truchsess. Es waren seine eigenen Bauern, die er dabei umbrachte. Es sollen über 2500 Tote gewesen sein. Ein Aderlass zu seinen Kosten, denn ein toter Bauer leistet keine Frondienste mehr?
Das ist natürlich richtig. Die Quellen berichten uns, dass der Bauernjörg zuvor eine Verhandlungslösung suchte, bei Peter Blickle ist das umfassend dargestellt. Erst als diese Verhandlungen scheiterten, kam es zum Gefecht. Wie schon erwähnt, war allerdings nicht die totale Auslöschung des Feindes das Ziel.
Aber als siegreicher Feldherr verdiente er sich schließlich eine ‚goldene Nase‘. Wie sah diese aus?
Georg III. erhielt als Feldhauptmann einen Lohn von 1000 Gulden pro Monat. Das ist durchaus viel, ein Pfarrer einer kleineren Gemeinde verdiente ca. 200 Gulden im Jahr. Von einer ‚goldenen Nase‘ würde ich hingegen nicht sprechen: Er hatte hohe Auslagen, welche er teilweise nicht oder erst spät erstattet bekam. So wurde ihm als Kompensation für nicht zurückgezahlte Schulden die Herrschaft Zeil von einer temporären Pfandschaft in erbliches Lehen umgewandelt. Sicherlich der Grundstock für den späteren Wohlstand des Hauses, doch für Georg III. mit erheblichen Kosten verbunden.
Georg III. von Waldburg-Zeil überlebte seinen Triumph über die revoltierenden Bauern nur wenige Jahre. Er starb am 29. Mai 1531 mit nur 43 Jahren – woran? – und liegt in Waldsee begraben. Warum gerade in Waldsee?
Die Chronik der Truchsessen von Waldburg, verfasst durch von Pappenheim, schreibt schon 1530 davon, dass Georg III. wegen ‚anhaltender Leibesschwäche‘ und schweren Hustens bei mehreren Gelegenheiten Reisen und wichtige Termine absagen musste. Die genaue Todesart ist uns nicht überliefert, aber die Chronik weist auf eine schwere Atemwegserkrankung hin, welche in einem Zeitalter vor der Erfindung der Antibiotika natürlich sehr gefährlich war. Dass er in Bad Waldsee begraben liegt ist sehr naheliegend, wohnte er doch dort, auch befand sich die Grablege seines Geschlechts in der Kirche St. Peter.
‚Die Revolution des gemeinen Mannes‘ (Blickle) endete für die Bauern statt in der Freiheit entweder im Tod oder in einem Trauma. Wie muss man sich Oberschwaben nach 1525 vorstellen?
Die Kriegsereignisse müssen erhebliche Folgen gehabt haben. Die Forschung geht von einer Todeszahl von etwa 70.000 Menschen für das ganze Reich aus, einige Schätzungen gehen sogar bis 100.000 Tote. Bei einer Bevölkerung von etwa 12 Millionen Menschen im Heiligen Römischen Reich, ist das ein ganz erheblicher Anteil. Hinzu kommt, dass Krieg immer die Folge von Seuchen, Hunger und allgemein der Vernichtung von Besitz nach sich zieht. Die Situation war also sicherlich sehr elend. Auf der anderen Seite befindet sich im Stadtarchiv Bad Waldsee ein Codex, welcher aus dem Jahrzehnt nach dem Bauernkrieg stammt. Dieser listet detailliert die zu leistenden Abgaben der Bauern auf. Diese Verschriftlichung war eine der zentralen Forderungen der Bauern in Memmingen und wurde offensichtlich, trotz der Niederlage der Bauern, von der Obrigkeit umgesetzt. Vielleicht war diese neue Rechtssicherheit wenigstens ein kleiner Lichtblick.
Autor: Roland Reck
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