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… und immer in action, egal, ob als Wetterfrosch oder mit Gummigitarre auf dem „Highway to hell“, Role Roth gibt immer alles. Unterstützt von Albert Bücheler und Peter Zoufal. Fotos: Reck

Bad Schussenried – Auch Wetterfrösche werden älter, und Roland Roth wurde im Juli 70 Jahre alt. Ein Grund mehr, mit dem Wetterexperten von der Wetterwarte Süd ein ausführliches Gespräch über Wetter, Klima und selbstverständlich auch über Fußball zu führen. Hinzu kommt, dass „Role“ auch das Theater für sich entdeckt hat, besser: dafür entdeckt wurde. Das Thema passt, und so brilliert der Wettermann als „Klimamahner“ in dem Theaterstück „Kiesgold“ als Teil des Widerstandes gegen die Waldrodung und den Kiesabbau im Altdorfer Wald. Seine MitspielerInnen sind die jungen und „echten“ AktivistInnen rund um Samuel Bosch aus dem Waldcamp. Peter Schmid, Regisseur und Theatermacher vom „Theater ohne Namen“, hat für das neue Stück ein besonders authentisches Ensemble gefunden. Role Roth gehört dazu und macht nachdenklich. Wir sprechen darüber.

Herr Roth, die Welt ist in Aufruhr, das war beim letzten Interview vor einem Jahr auch schon so – der Unterschied: Wir sind gefühlt Europameister! Und auf dem Weg zum nächsten Weltmeistertitel. Als Wettermann sind Sie Vorhersageexperte, wird es so kommen?

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Aufgrund der Spielweise ist Spanien der verdiente Europameister. EM und WM okay, aber für mich nicht sonderlich interessant. Zuvorderst ein Anlass, sich mal wieder im Freundeskreis zu treffen, zu diskutieren, zu streiten und zu festen. Ich bin ein Liebhaber der Bundesliga und ‚meiner‘ SGE, von Vereinen wie Heidenheim, Freiburg, Gladbach oder Union Berlin und natürlich dem SSV Ulm, vielleicht kommen die Spatzen ja in meinem Lebensabend noch in die erste Liga. Mir wären 50 Spieltage im Jahr – mit einer kurzen Pause an Weihnachten – gerne auch mit zwanzig Vereinen in der obersten deutschen Fußball-Liga – allemal lieber als dieses FIFA/UEFA EM-/WM-/CL-Spektakel. Damit kann ich nicht viel anfangen.

Okay, aber Sie sind trotzdem großer Fußballfan und als solcher auch fundierter Experte in diesem Fach, versteht sich. Also wissen Sie auch, wie die Nagelsmänner es geschafft haben, uns solchermaßen zu begeistern?

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Naja, dass Deutschland gute Fußballer hat, ist hinlänglich bekannt und mit Jamal Musiala und Florian Wirtz zwei Ausnahmekönner. Es mangelte in den vergangenen Jahren meiner Ansicht nach vor allem am vielzitierten Teamgeist und dem unbedingten Einsatzwillen. Da hat Nagelsmann sicher was bewirkt. Doch man sollte sich nicht blenden lassen. Sie haben teilweise einen ganz ordentlichen, guten Fußball gespielt und gegen Spanien ab der 60. Minute sogar wirklich begeistert, aber ob das zum WM-Titel in zwei Jahren reicht, wage ich zu bezweifeln. Vorher wird wohl Eintracht Frankfurt Deutscher Meister. Und dies ist so wahrscheinlich, wie dass die AfD die Ernsthaftigkeit des Klimawandels erkennt.

Was das Wetter anbelangt, macht ihm niemand was vor: mal lustig, mal ernst …

Wetter und Fußball haben gemeinsam, dass jeder und jede mitreden will – inklusive Sie und ich. Werden wir damit dem Wetter gerecht, das im Unterschied zum Fußball existenziell ist?

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Das ist eine wirklich gute und berechtigte Frage. Ich behaupte, dass die Menschen vor vierzig/fünfzig Jahren mehr faktenbasiertes und fundierteres Wetterwissen hatten als heute, obwohl uns mittlerweile weitaus mehr Daten und Erkenntnisse zur Verfügung stehen, und das Wissen über wetterkundliche und klimatische Zusammenhänge wichtiger denn je ist. Vielen von uns ist jedoch die Bodenhaftung für meteorologische Zusammenhänge verloren gegangen.

Also packen wir den Fußball weg und lassen Sie uns über das Wetter reden. Der Juli ist bereits um: Wie fällt Ihre Halbjahresbilanz aus?

Beständig unbeständig! Der rasche Wetterwechsel ist geradezu Programm. Kaum ein Tag verging ohne Nass von oben. Seit Mai in verschärfter Form: Regengüsse und Unwetter mit mancherorts schweren Überflutungen und Rekordpegelständen, Schafskälte und Mückenplage, aber auch Turbo-Wachstum und Hitze. Waren es zunächst vor allem die ergiebigen, langanhaltenden Regenfälle, welche die Einsatzkräfte forderten, sorgten danach die meist lokal begrenzten, heftigen Gewittergüsse, Sturmböen und Hagel für zahlreiche Hilfsmaßnahmen von Feuerwehr, THW, Polizei und anderen Hilfsorganisationen. Davon betroffen war öfters auch das BLIX-Land. Am stärksten Meckenbeuren, wo die Schussen einen historischen Höchststand erreichte.

Wenn Sie das Wetter und seine Kapriolen anschauen, wie viel Klimawandel steckt da drin?

Erschreckend viel. Seit Mitte Oktober prägen Tiefdruckgebiete unsere Witterung in einer Form wie ich es bislang nicht erlebt habe. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) verbuchte im Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024 die niederschlagsreichsten zusammenhängenden zwölf Monate seit Beginn regelmäßiger Messungen im Jahre 1881. All diese Monate waren hierzulande zu warm, auch der Juli, der sogar deutlich! Seit 1980 verzeichnen wir im Alpenvorland einen Temperaturanstieg wie in den 4000 Jahren nach dem Ende der Würmeiszeit. Zeitrafferfaktor 100!

Was hat das zur Folge?

Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen. Das Potential für Starkniederschläge steigt. Zugleich ist der Jetstream, der Motor unseres Wettergeschehens, ins Stocken geraten. Was dazu führt, dass öfters als früher völlig unberechenbare, aus dem Polargebiet nach Mitteleuropa abdriftende Kaltlufttropfen in großer Höhe unser Wettergeschehen beeinflussen. Diese Höhentiefs labilisieren die Luftmassen und reichern sie mit Energie an. Die Folgen kennen wir alle: Ahrtal, Braunsbach und die vielen anderen von Wasserfluten, Hagel und Sturmböen heimgesuchten Regionen, auch in Oberschwaben, am Bodensee, im Allgäu und auf der Alb. Tropische Regengüsse im einst gemäßigten Klima Mitteleuropas. Doch dies ist lediglich ein ‚Vorgeschmack‘, von dem, was da noch auf uns zukommen wird. Und die Zeche zahlen wir alle, selbst die, welche den Gruß des Klimawandels nicht hören und die Fakten nicht sehen wollen.

Das Wetter wird immer extremer, die Wahlen auch – gibt es einen Zusammenhang oder wie erklären Sie sich diesen Rechtsruck, der einhergeht mit einer Negierung der Klimakrise?

Also bitte, den Rechtsruck mit Wetterextremen in Verbindung zu bringen. Darauf muss man erst mal kommen. Aber okay, beides ist menschengemacht und nur durch Aufklärung und Faktenwissen zu beeinflussen. In einem Punkt haben Sie natürlich recht, was die Rechten anbelangt. Denen klarzumachen, dass sich unser Klima durch menschliche Einflüsse im Zeitraffertempo verändert, scheint in diesem Lager von den meisten negiert zu werden. Man höre sich nur mal dieses dümmliche, hirnlose Geschwafel einer Beatrix von Storch an.

Seit Roles 70. Geburtstag bewacht ein Wetterfrosch im Eintracht Frankfurt-Trikot die Wetterwarte Süd in Bad Schussenried und sorgt für gute Laune beim Hausherren. Foto: Karin Cieslikowski

„Ein Blankoscheck fürs Nichtstun“

Durch die Kriege in der Ukraine und in Nahost hat die Klimakrise offensichtlich an öffentlicher Bedeutung verloren. Ein Verhängnis?

Ja, eindeutig. Das haben die letzten Wahlergebnisse gezeigt. Bei den meisten Parteien war das Thema im Wahlkampf ohnehin außen vor. Auch bei den Grünen, die mich meiner politischen Heimat beraubt haben. Dass wir in Baden-Württemberg, besonders im südlichen Landesteil, längst über der politisch vorgegebenen Grenze der Erwärmung von 1,5°C liegen, wird von denen nicht thematisiert. Klar, zu viel Information könnte Teile der Bevölkerung verunsichern. Und man schaue sich nur einmal die Geschichte um die Flugreise von Annalena Baerbock nach einem Fußball-EM-Spiel in Frankfurt an. Skandalös und wahrlich abgehoben. Der Außenministerin einer Partei, welche sich dem Umweltgedanken und dem Klimaschutz verpflichtet sieht, unwürdig. Eine Doppelzüngigkeit, die in unserer Gesellschaft weite Verbreitung findet. Laut Umfrage ist zwar eine große Mehrheit für den Schutz des Klimas, doch wenn es um konkrete, persönliche Maßnahmen geht, sieht es mau aus. Mit dem allradgetriebenen SUV-Protz zum Bioladen und alles okay. Habe dies bereits x-mal erlebt. Und dann gibt es noch die, an welche man ohnehin nicht rankommt. Die leben nach dem ‚sinnstiftenden‘ Motto: ‚Das hat es früher alles auch schon geben‘. Ein Blankoscheck fürs Nichtstun. Und schaue ich mir die weltweite Entwicklung an, sehe ich endgültig schwarz. Dabei bin ich als Anhänger der Eintracht aus Frankfurt, der vierzig Jahre auf einen Pokal seiner Mannschaft warten durfte, eigentlich per se optimistisch gestimmt.

Sie touren seit Jahren mit Ihren Vorträgen über Wetter und Klima durch die Lande. Faktenreich, unterhaltsam und kritisch erzählen Sie Ihren zahlreichen Zuhörern, was es mit dem Wetter und dem Klima auf sich hat. Den Regisseur Peter Schmid aus Biberach haben Sie damit zu einem Theaterstück inspiriert, in dem Sie auch eine tragende Rolle spielen. Das Stück heißt „Kiesgold“, es geht um den geplanten Kiesabbau im Altdorfer Wald, unsere Ressourcenverschwendung und um Wasser- und Klimaschutz, Sie treten darin an der Seite der jungen Waldschützer, die seit drei Jahren in Baumhäusern leben, als Wetterexperte und Klimamahner auf. Für Sie nichts Neues, aber was erhoffen Sie sich davon?

Peter Schmid kam nach einem Vortrag, wenn ich es richtig in Erinnerung habe ein VHS-Vortrag in Biberach im Oktober vergangenen Jahres, auf mich zu und meinte, dies sei ein wirklich brisantes Thema, das er gerne im Theaterspiel umsetzen würde. Ich dachte anfangs, er wolle von mir ‚nur‘ inhaltliche Unterstützung. Dass ich selber eine Rolle übernehmen würde, war für mich kein Thema. Aber dann stand ich halt unverhofft auf der Bühne. Peter wusste, wie er da vorzugehen hatte. Er ist schließlich Psychotherapeut. Ich habe es jedoch nicht bereut, fühlte mich bei den Profis von ‚Theater ohne Namen‘ als ergrauter Klimamahner wohl. Wobei, Willi Fritz, eine tragende Säule des Theaters, glaube ich, ist sogar noch etwas älter als ich. Und mit der Power der Baumbesetzer um Samuel Bosch, den beiden exzellenten Musikern Albe Bücheler und Peter Zoufal war es eine wirklich großartige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Und was den Kiesabbau anbelangt, habe ich ohnehin eine dezidierte Meinung. Kies, wie alle Bodenschätze, sind Gemeingut. Es gehört uns allen und keineswegs einzelnen Kiesbaronen.

Angesichts der Misere Trübsal zu blasen, ist nicht angesagt, sagen die jungen AktivistInnen auf ihren Bäumen und im Theater ‚Kiesgold‘. ‚Tut was, helft uns jetzt, die Klimakrise zu stoppen, bevor es zu spät ist für uns und eure Enkelkinder‘, appellieren die Jungen an uns, ihre Eltern. Warum tun wir es nicht oder nur höchst zögerlich?

Weil vielen die tatsächliche Gefahr des sich rasant ändernden Klimas nicht bewusst ist. Aus Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit und einer ganzen Portion Verlogenheit. Ein Beispiel gefällig? Klima-Demo in Biberach vor einigen Jahren. Habe ich selbst so erlebt. Zwei Mütter, beide im dicken SUVs auf Parkplätzen in einer Seitenstraße, laden ihre Mädels aus, drücken ihnen Protest-Plakate in die Hand. ‚Bussi, Bussi, nun demonstriert mal schön.‘ Und dies ist keineswegs ein Einzelfall. Unserer Gesellschaft fehlt die Wertschätzung in vielen Bereichen, auch unserer ‚Mutter Erde‘ gegenüber. Oberflächlichkeit und übersteigerte Egoismen, enormes Selbstbewusstsein, gepaart mit wenig Wissen prägen die Handlungsweisen.

Fordern mehr Klimaschutz auf allen Bühnen: Samuel Bosch (mitte) und seine Mitstreiterinnen aus dem Altdorfer Wald bei der Aufführung von „Kiesgold“ in der Biberacher Kletterhalle und am 2. Juli am Ulmer Münster mit der brisanten Frage: „Wäre Jesus Klimaaktivist?“

„Es gilt die Schöpfung zu bewahren“

Herr Roth, wir haben noch nie über Glaubensfragen gesprochen … höchste Zeit! Samuel Bosch, mit dem Sie Theater spielen, hat Anfang Juli mit anderen Aktivistinnen aus dem Altdorfer Wald in luftiger Höhe ein Transparent am Ulmer Münster befestigt mit einer interessanten Frage: ‚Wäre Jesus Klimaaktivist?‘ Was glauben Sie? 

Logo, wer, wenn nicht er! Es gilt die Schöpfung zu bewahren. Aber eigentlich müsste ja wirklich jeder erkennen, dass es das zu schützen gilt, was uns von dem lebensfeindlichen Weltall trennt und unser Leben auf diesem Planeten erst ermöglicht. Eine Schutzhülle, die Tag für Tag unser Erdendasein maßgeblich beeinflusst und ohne dir wir nicht hier wären. Dabei ist klimafreundliches Handeln in vielen Bereichen ein Gewinn für das eigene Leben und zugleich gesundheitsfördernd.

Sie haben vor Kurzem Ihren 70. Geburtstag gefeiert. Herzlichen Glückwunsch! Sie zählen zu den Babyboomern, zu der Nachkriegsgeneration der vielen Kinder, die im Wohlstand groß und alt geworden sind. Es ist die ‚Tätergeneration‘, was die Umwelt- und Klimakrise anbelangt, die in voller Härte deren Kinder und Enkelkinder treffen werden. Wahrlich eine beschissene Bilanz! Wie lässt sie sich verbessern?

Diese Schwarz-Weiß-Malerei ist zu kurz gegriffen und geht an der Realität vorbei. Jede Generation trägt zum Klimawandel bei und die Jungen nicht unerheblich, trotz besseren Wissens. Die ticken bei weitem nicht alle so wie Samuel und seine Mitstreiter. Ein nicht zu unterschätzender Teil dieser Generation interessiert diese Problematik, für mich eine der drängendsten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte, nicht oder nur peripher, wie ich bei meinen Vorträgen in Schulen immer wieder achselzuckend erfahren muss. Also, da unterscheiden sie sich nicht allzu sehr von den Altvorderen. Das war bei den 68ern oder in der Jugendzentrumsbewegung, Ende der 70er Jahre nicht anders. Und die geradezu peinliche Anbiederung mancher Politiker an die Generation Z lässt mich am Verstand dieser Volksvertreter zweifeln. Doch wenn ein Bauunternehmer aus dem Raum Wangen sich in den Wald begibt, um mit den Baumbesetzern zu diskutieren und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, dann ist schon mal ein Anfang gemacht.

Und wie immer zum GUTEN Schluss: Wie wird’s Wetter, Herr Roth? Am besten für die nächsten sechs Wochen.

Eines muss man dem Wetter lassen, es hat dieses Jahr bislang einen klaren Sommerfahrplan. Auf kühlere Phasen mit teils kräftigen Regengüssen und Gewittern folgen in beständiger Regelmäßigkeit Sonnenschein und Hitze. Dieser Sommer ist energiegeladen. Und wird es vermutlich bis ans Ende seiner Tage bleiben. Dies hat auch einen volksweisheitlichen, statistisch belegten Hintergrund. Denn ‚So wie das Wetter am Siebenschläfertag (27. Juni), es sieben Wochen bleiben mag‘ lautet eine der bekanntesten Regeln im Wetterjahr. Allerdings nicht nur dieser eine Tag ist richtungsweisend, sondern die Zeit zwischen dem 24. Juni und dem 7. Juli. Da entscheidet sich häufig das Witterungsgepräge des Hochsommers. Und der Fingerzeig der Siebenschläfertagsregel war dieses Jahr eindeutig.

Autor: Roland Reck



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