Liebe Leserinnen, liebe Leser, im Mai vor 80 Jahren ging der entsetzlichste Krieg der Menschheitsgeschichte zu Ende. Die Nationalsozialisten hatten ihn angezettelt und die Mehrzahl der Deutschen marschierte mit, viele mit fanatischer Begeisterung. Bis zum bedingungslosen Ende, das ein Anfang wurde. Von dem wir bis heute profitieren. Was als erzwungene Befreiung begann, mündete in eine beispielhafte demokratische Verfassung, von deren Selbstverständlichkeit meine Generation ausging und die letzten 60 Jahre sehr gut damit lebte. Diese selbstgefällige Gewissheit ist vorbei. Putins Überfall auf die Ukraine markiert das Ende dieser Selbstgefälligkeit, die schon lange auf tönernen Füßen stand.
Denn zum russischen Krieg gegen die Ukraine kommen weitere Großkrisen, die wir lange ignorierten und in Teilen immer noch nicht wahrhaben wollen. Denn es ging uns ja – alles in allem – gut. Was – alles in allem – immer noch der Fall ist. Aber dass unser Wohlstands- und Wachstumsmodell auf Kosten von Natur und Umwelt und vieler Millionen Menschen, die nicht davon profitieren, geht, ist schon lange bekannt. „Die Grenzen des Wachstums“ sind schon vor über 50 Jahren benannt worden. Und nun haben wir schon seit über zwei Jahren „Nullwachstum“, sind unvorbereitet und entsetzt. Und ausgerechnet ein gigantisches Aufrüstungsprogramm soll nun das Wirtschaftswunder und damit den Aufschwung zurückbringen. Da muss einem der gerade verstorbene Papst Franziskus einfallen, der in aller Kürze feststellte: „Diese Wirtschaft tötet!“ (Apostolisches Schreiben „Evangelii Gaudium“, 2013)
Das klingt nicht nur dramatisch, der Weltzustand ist dramatisch. Darin sind sich die meisten einig, auch wenn die Ursachenanalyse unterschiedlich ausfällt, und der Papst kein Wirtschaftsweiser ist. Wer hätte geglaubt, dass sich reihenweise demokratische Gesellschaften von innen selbst bedrohen? Wer hat es für möglich gehalten, dass ein böser Clown zum zweiten Mal gewählt wird und nun dabei ist, die Welt aus den Angeln zu heben?
Vor 500 Jahren haben einfache Bauern von hier ebenfalls versucht, ihre Welt zu verändern, was ihnen im Kampf nicht gelang. Zig-Tausende haben dafür mit dem Leben bezahlt. Es dauerte noch einmal über 250 Jahre, bis ihre Forderungen nach Freiheit und Gleichheit sich in einer Verfassung wiederfanden, zuerst in den Vereinigten Staaten von Amerika, dann in Frankreich und erst viel später in Deutschland. Es waren die hiesigen Bauern, die den Anfang machten. Wir sollten ihr Erbe nicht verspielen. Es findet sich in unserem Grundgesetz und im Prinzip der Nachhaltigkeit wieder. Oder wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann zur Eröffnung der Landesausstellung „Uffrur“ in Bad Schussenried mahnte: „Demokratie und Freiheit sind nicht selbstverständlich, sie müssen immer wieder aufs Neue gemeinsam ausgehandelt, gelebt und verteidigt werden.“ Packen wir’s an!
Roland Reck, Chefredakteur Magazin BLIX

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