Weitblickend: Julius Balthasar Christmann
Um Fronleichnam 2024. Vor einem Jahr versank in und um Leutkirch hektarweise Land unter Hochwasser. Auch manches Haus. Nur durch den aufopferungsvollen, kräftigen und mutigen Einsatz vieler Hilfskräfte – darunter mehrerer Feuerwehren und Fachfirmen – gelang es, Leutkirchs Kernstadt großenteils vor heftigerem Hochwasser zum bewahren. Was bleibt? Respekt vor den Helfenden samt Dank an sie – und die Frage: Wie lassen sich künftig Hochwässer eher vermeiden?
Heftiger? Die meisten der Leute, die sich mit “Klima” und “Wetter” befassen, sagen: Es kommen weitere Hochwässer. Und eher heftiger. Die Fluten müssen dann ja nicht gleich so gewaltig durchtreiben wie 2021 im Ahrtal. Dort mit über 100 Toten. Diese Rhein-nahe Gegend wirkt anders als das oberschwäbische Allgäu. In Rheinland-Pfalz enger und mit kaum Wasser-aufnehmendem Vulkan-Gestein. Aber auch das Voralpenland kann es treffen. So verursachte Hochwasser im oberbayerischen Simbach 2016 eine “Zerstörung biblischen Ausmaßes” (wie’s die örtliche Feuerwehr schilderte): “400 Gebäude überflutet, fünf Todesopfer”. Der Münchner Physiker und “Naturphilosoph” Dr. Harald Lesch bezifferte die Schadens-Kosten dafür auf rund eine Milliarde Euro.
Sprich: Es ist der Schweiß der Edlen wert, sich um mehr Hochwasserschutz zu bemühen. Liest man die Äußerungen der Stadtverwaltung Leutkirch dazu, fällt auf: Da gibt’s noch einiges zu tun. Tiefbauamtsleiter Robert Rühfel riet dabei dazu, das Ganze im Auge zu behalten. Schön für Leutkirch: Mit Blicken über den kommunalpolitischen Tellerrad zeigen sich viel versprechende Lösungswege. Etwa nahe der Gemeindegrenze ein weiteres Hochwasser-Rückhalte-Becken für die Eschach. Ein solches hatte der Eisenbahn-Ingenieur Julius Balthasar Christmann bereits vor über 100 Jahren an Zusammenfluss von Eschach und Kürnach direkt oberhalb Schmidsfelden geplant. Nutzbar auch als Energie-Reservoir für größere Wasserräder als sie sich damals in Schmidsfelden drehten. Es blieb bei den Plänen. Bisher. Über diese Vorhaben aus den 1920er-Jahren hat die Bildschirmzeitung am 9. Juli 2024 ausführlich berichtet. Reaktionen aus dem Gemeinderat und aus der Stadtverwaltung dazu: null.
https://www.diebildschirmzeitung.de/allgaeu-oberschwaben/leutkirch/mehr-rueckhalt-64719/
Umso mehr bietet sich (ab) jetzt Gelegenheit, sich das Ganze nochmals näher zu betrachten. Denn einerseits kann solch ein Rückhalte-See Hochwasser unterhalb davon mindern, andererseits bietet er sich an als Speicher für die bewährt erneuerbare Energiequelle Wasserkraft. Und “Speicher” lautet derzeit d i e Losung, wenn es darum geht, die günstige “Energiewende” zum 100-prozentigen Erfolg zu führen. Mal als Batterie, mal als Biogasanlage, mal als Speichersee für Wasserkraft. Sprich: Strom so horten, dass er nutzbar ist, wenn er gebraucht wird – und nicht nur, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Dass sich solch ein Speicheweiher dann auch noch als Badestrand erweisen kann, lässt sich im bayern-fränkischen Brombachsee bereits heute sehen. Insofern scheint es gut zu sein, beim Thema Hochwasserschutz über den gemeinde-begrenzen Rand raus zu blicken. Damit dann im Idealfall das Hochwasser den Rand hält.
Julian Aicher