Skip to main content
ANZEIGE
Dokumentation zum Diepoldshofer Soldatengrab (Folge 2)

Von Waldkirch (Baden) zur Hinrichtung in Diepoldshofen



Foto: Gerhard Reischmann
Das Soldatengrab bei Diepoldshofen (an der Straße Richtung Bauhofen). Zwei (!) Tage vor dem örtlichen Kriegsende ließ ein deutscher Hauptmann Todesurteile gegen 15 Soldaten der Wehrmacht, die in einem beweglichen Heeresgefängnis festgesetzt waren, vollstrecken (ein 16. Soldat konnte entkommen). Es ist anzunehmen, dass es sich um Deserteure handelte, zum Teil blutjunge Burschen, die angesichts der Aussichtslosigkeit der militärischen Lage nicht mehr kämpfen wollten. Der Hauptmann arbeitete nach dem Krieg unbestraft im Dienst der Stadt Witten. In der frühen Bundesrepublik wurden Handlungen nach NS-Recht lange als legal angesehen. (rei)

Diepoldshofen – Heimatforscher Artur Angst (1914 – 1992) schreibt über die dramatischen Tage bis zur Erschießung der 15 Soldaten am Nachmittag des 26. April 1945 im Wald zwischen Diepoldshofen und Bauhofen Folgendes (die Zwischentitel stammen von der Redaktion der Bildschirmzeitung; das ausführliche Vorwort Angsts zu seiner Ausarbeitung mit Quellenkritik erschien in der Bildschirmzeitung am 22. April 2025):

Strafgefangene der Wehrmacht

In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1945 kam zu Fuß eine größere Gruppe deutscher Soldaten nach Diepoldshofen und quartierte sich im Stadel der Grössermühle ein. Wie man dann bei Tag sehen konnte, waren es Strafgefangene der Wehrmacht, rund 120 Mann. Dazu gehörten etwa 30 Mann Wachkommando mit Stabsfeldwebel und wenigen Unteroffizierschargen unter der Leitung eines Hauptmanns. Die Gefangenen waren kahlgeschoren und verschiedenen Wehrmachtteilen zugehörig (Heer, Marine, Luftwaffe). Auch Mitglieder von Parteiformationen seien in ihrer braunen Montur zu sehen gewesen, berichtet eine der Schwestern Grösser, eine Bemerkung, die nur mit Vorbehalt registriert werden kann, da die Gefangenen ausschließlich Wehrmachtangehörige waren. An den Uniformröcken der gefangenen Soldaten fehlten durchweg die Schulterklappen.

Es handelte sich um die Insassen und die Bewacher des beweglichen Heeresgefängnisses des Armeeoberkommandos 19 unter der Leitung von Hauptmann Otto Siebler.¹

Das genannte Heeresgefängnis hatte sich ursprünglich in Colmar/Elsaß befunden und war am 4. November 19442 in das Amtsgerichtsgefängnis Waldkirch/Baden verlegt worden. Unter den Gefangenen befanden sich 45 zum Tod verurteilte Soldaten. Da die Front im April 1945 immer näher rückte, wurde das Heeresgefängnis des AOK 19 am 16.4.1945 von Waldkirch aus nach Osten in Marsch gesetzt. Das vorläufige Marschziel war der Heuberg. Die 45 Todeskandidaten hatte Siebler fesseln, auf zwei Lkw verteilen und gegen Abend²a unter dem Befehl eines Unterfeldwebels zum Heuberg abfahren lassen, mit der Weisung, dort auf ihn zu warten. Er selber machte sich mit seinem Pkw auf den Weg. Die übrigen rund 75 Gefangenen und ihre Bewacher hatten Waldkirch schon am Nachmittag²a zu Fuß verlassen. Sie erreichen nach drei Tagen den Heuberg (am 19.4.1945).

Der Vollstreckungsbefehl fehlte zunächst

Siebler hatte beim Abmarsch seiner Einheit aus Waldkirch noch keinen Vollstreckungsbefehl für die 45 Todeskandidaten. Weil seine vorgesetzte Dienststelle, das Gericht des AOK 19, ebenfalls Stellungswechsel Richtung Osten vornahm, verlor er für einige Zeit den Kontakt mit ihr und machte sich im Hinblick auf die obwaltenden besonderen Umstände anscheinend Hoffnung, dass bei dieser Lage die Todesurteile nicht mehr vollstreckt würden.³ Da der Marsch mit den Gefangenen für die Bewacher vor allem nachts nicht ohne Risiko war, suchte Siebler, wie er selbst angab, von seiner Dienststelle die Genehmigung zu erhalten, die Gefangenen wieder in einem ortsfesten Gefängnis unterzubringen.

16 Todesurteile bestätigt

Es glückte ihm, am 19. April4 vom Heuberg mit seinem PKW auf Erkundung fahrend, den neuen Standort des Gerichts des AOK 19 in einem Bauernhaus in Gallmannsweil (Kreis Stockach) zu finden. Als er dort sein Anliegen vorbrachte, wurde ihm mitgeteilt, dass der Oberbefehlshaber der 19. Armee inzwischen die Todesurteile von 16 Gefangenen bestätigt und er, Siebler, sie mit seinen Wachleuten zu vollstrecken habe. Ein Versuch Sieblers, diese Aufgabe von sich wegzuschieben, blieb erfolglos. Er bekam Auftrag, Vollzugsmeldung unter Angabe des Ortes und des Zeitpunktes der Vollstreckung zu erstatten. Darauf schrieb Siebler persönlich in eineinhalb Stunden den Tenor der Urteile, das erkennende Gericht, den Zeitpunkt der Verurteilung und die Bestätigung durch den Oberbefehlshaber der Armee ab. Von dem Vollstreckungsbefehl gab er nach Rückkehr zu seiner Einheit nur seinem  Stabsfeldwebel Ehlert5 Kenntnis.

Die Exekution konnte nicht sogleich durchgeführt werden, da vorderhand eine passende Gelegenheit fehlte. Die Gefangeneneinheit musste vom Heuberg abrücken (jetzt auch die Todeskandidaten zu Fuß) und erreichte über Stetten, Sigmaringen, Saulgau, Waldsee nachts marschierend, tagsüber in Wäldern und Scheunen kampierend, nach fünf Tagen in der Nacht vom 24. auf 25. April die Grössermühle in Diepoldshofen. Es war ein erschöpfender Marsch gewesen, vor allem auch, weil, wie „Revue“ schreibt, die Verpflegung für die Gefangenen nicht mehr hatte herangebracht werden können.

Zwei Tage in der Grössermühle

In der Grössermühle blieb die Einheit zwei Tage. Die Männer benutzten die Hocheinfahrt zum Stadel als Ein- und Ausgang für ihr Quartier. Sie verpflegten sich selbst, wobei ihnen die Waschküche der Grössermühle zur Verfügung stand – anscheinend hatte der Hauptmann nun doch noch Verpflegung organisieren können. Die Gefangenen waren offensichtlich müde. Ohne Humor saßen sie den Tag über schweigend und gedrückt im Stadel oder in dessen nächster Nähe herum. Es gab keinen Kontakt zwischen ihnen und den Zivilpersonen des Dorfes mit Ausnahme dessen, dass die gefangenen Soldaten im naheliegenden Anwesen Eberle (mechanische Werkstätte mit Landwirtschaft) etwas zum Trinken erbaten. Man brachte ihnen Most. Aber es kam zu keinem Gespräch, so wie es bei den sonst in diesen Tagen immer wieder durchs Dorf ziehenden oder hier Rast machenden Truppenangehörigen der Fall war.

Handschellen auf dem Leiterwagen

Die Gefangeneneinheit hatte einen Bauernleiterwagen bei sich, auf dem unter anderem auch Handschellen lagen. „Einer von den Gefangenen, es war ein Major, wie er sagte, hatte starke Magenkrämpfe. Er konnte zeitweilig in unserer Stube auf dem Sofa liegen. Er zitterte und hatte große Angst vor dem Erschossenwerden“, berichten noch die Schwestern Grösser. Der Chef der Einheit, Hauptmann Otto Siebler, war, wie Herr Joos unmittelbar erlebte, in der vorangegangenen Nacht später als seine Einheit mit seinem Fahrzeug angekommen. Er habe sich um Mitternacht vor dem Gästehaus der Grössermühle bemerkbar gemacht und Quartier erbeten. Aus Richtung Schlier kommend sei er seiner Einheit nachgefahren. „Er sah mit seinem schwarzen Haar und seinen funkelnden Augen etwas verwegen aus“, meinte Herr Joos. Er habe dann irgendwie übernachtet, obwohl das Gästehaus schon voll besetzt gewesen sei.

Hochrangige Vertreter des NS-Regimes

Es hielten sich nämlich, wie die Schwestern Grösser berichteten, in diesen Tagen in der Grössermühle neben anderen (z.B. der Mutter des Fliegers Udet und ihrer Tochter, die im Ausgedinghaus einquartiert waren) auch Vertreter des diplomatischen Dienstes bzw. deren Angehörige auf. So die Familie des Staatssekretärs Andor Hencke vom Auswärtigen Amt in Berlin, der lange Zeit als Diplomat in Rußland tätig und beim Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes vom 23. August 1939 (unterzeichnet von den damaligen Außenministern v. Ribbentrop und Molotow) dabeigewesen sei. Außer den Henckes habe sich der Gesandte Reinebeck (zuvor in Guatemala tätig) im Gästehaus aufgehalten. Diese Diplomaten habe der damalige württembergische Innenminister Schmid nach Diepoldshofen vermittelt. Schmid, zeitweiliger Gouverneur in Paris (?), sei in diesen Tagen auch zusammen mit seiner Frau hierher gekommen. Kurz nach Besetzung des Ortes durch die Franzosen sei er von diesen abgeführt worden. Er habe noch, sehr bedrückt, zu seiner Frau gesagt, er komme nicht wieder. Und er sei dann auch in französischer Gefangenschaft gestorben.

Petains Gefolge

Auch Angehörige der Vichy-Regierung waren in den Tagen zuvor in der Grössermühle einquartiert gewesen. Man hatte sie mit ihrem Chef, Marschall Pétain, vor den in Frankreich eindringenden Amerikanern, Engländern und Truppen de Gaulles ins Reich verlegt. Der Marschall, seit September 1944 in Schloss Sigmaringen interniert, war in diesen Tagen noch nach Schloss Zeil gebracht worden. Dort hielt er sich mit dem größeren Teil seines Gefolges auf, während ein kleinerer Teil in der Grössermühle einquartiert war. Wenige Zeit vor dem Anrücken der Truppen de Gaulles fuhren die Angehörigen der Vichy-Regierung wieder ab. (Pétain stellte sich den neuen französischen Behörden. Er wurde am 15. August 1945 zum Tode verurteilt, wegen seines Alters von 89 Jahren zu Festungshaft begnadigt und starb 95-jährig am 23. Juli 1951).

Der 26. April

Am Morgen des 26. April – Geschützdonner der immer näher kommenden Front war zu vernehmen – waren Herr Joos und sein Schwager beschäftigt, die letzten Schnapsvorräte des Gästehauses im Garten zu vergraben. Sie hörten am späten Vormittag aus dem nahe gelegenen Diepoldshofer Wald einige Gewehrschüsse, die sie sich nicht erklären konnten. Dasselbe bemerkten sie dann auch nachmittags gegen 17 Uhr, nur dass es dieses Mal mehr Schüsse waren. Die beiden Männer wussten immer noch keine Deutung für den ungewöhnlichen Vorgang, denn Jäger konnten es in diesen Tagen kaum sein, die Front aber hatte Diepoldshofen noch nicht erreicht.

Die Frau an der Ach

Anders war es im Hause von Frau Bank. Am Nachmittag dieses Tages ging deren Mutter, die verstorbene Frau Auguste Mösle, aus irgendeinem Grund zur nahe vorbeifließenden Wurzacher Ach hinunter. Sie sah dabei, wie ein Soldat den Strafgefangenen etwas vorlas. Es war, wie wir heute wissen, der „Spieß“, Stabsfeldwebel Ehlert, welcher die Namen von zum Tod verurteilten Männern vorlas, die feldmarschmäßig hatten antreten müssen. Als Frau Mösle von der Ach zurückging, konnte sie beobachten, dass eine Gruppe von je zwei mit Handschellen aneinander gefesselten Gefangenen zum nahen Wald weggeführt wurde.

Ins Haus zurückgekehrt, erzählte Frau Mösle ihren Leuten, was sie gesehen hatte und fragte, was das sein solle. Einige deutsche, auf dem Rückzug befindliche Soldaten, die um diese Zeit sich zufällig im Haus aufhielten, meinten, man werde da wohl wieder einige erschießen. Nicht allzulange danach knatterten Gewehrschüsse. „So, jetzt hört, was los ist“, sagten die Soldaten. Frau Bank und ihre Mutter waren entsetzt.

Der Militärarzt

Von dieser Erschießung am Nachmittag des 26. April hatte Fräulein Paula Grösser bereits kurz vor der Exekution Kenntnis bekommen. Sie erinnert sich genau, dass an diesem sonnigen, schönen Tag der junge Militärarzt der Gefangeneneinheit nachmittags gegen 16.00 Uhr, als er ihr zufällig auf dem Hof begegnete, bedrückt sagte, er müsse jetzt leider mit einer Gruppe Gefangener gehen, die erschossen würden; er müsse den eingetretenen Tod bestätigen. „Ich bin zu Tode erschrocken“, erzählt Paula Grösser. „Es war fürchterlich, als ich dann tatsächlich Schüsse hörte.“ Nicht lange danach sei der Arzt zurückgekommen. „Er war fix und fertig und saß stumm in unserer Stube. Dann kam der Hauptmann dazu. Seine eine Hand war verbunden, der Verband blutig.“ Auf genaueres Befragen meinte Paula Grösser, der Hauptmann habe vielleicht schon vor der Erschießung der Soldaten eine Hand verbunden gehabt, das wisse sie nicht mehr genau.

Wenn dem so war, hatte entweder die schon früher erhaltene Wunde neu zu bluten begonnen, oder der Verband war bei der Untersuchung der Erschossenen blutig geworden – es musste ja der eingetretene Tod vom Arzt festgestellt und vom Einheitsführer bestätigt werden. Laut „Revue“-Bericht hatte der Arzt den Todgeweihten mit Kreide einen Kreis auf den Rücken malen müssen, um die Herzgegend zu kennzeichnen. Siebler habe den Hingerichteten noch Kopfschüssen aus seiner Pistole gegeben, weil nicht jeder sofort tot gewesen sei.

Das Spiegeleier-Essen

„Der Hauptmann verlangte“, so berichten nun Paula Grösser und ihre Schwester, Frau Joos, die zu diesem Zeitpunkt auch in der Stube war, weiter, „man solle ihm Spiegeleier machen. Und dann aß er eine ganze Menge davon Wir waren entsetzt und konnten das nicht verstehen. Auf dem Sofa da saß er und ließ es sich schmecken. Im Gegensatz zu ihm konnte der Arzt nichts essen. Der war ganz verstört.“

Einer konnte entkommen

Was in der Grössermühle zu diesem Zeitpunkt noch niemand wusste außer den Gefangenen und ihren Bewachern, war, dass ein zur Hinrichtung bestimmter Verurteilter hatte entkommen können. Zwei Diepoldshofener Männer, der alte Herr Sauter (Nachbar zur Grössermühle) und Herr Leopold Grösser, beide inzwischen verstorben, berichteten ihren Leuten, sie hätten einen Soldaten über „Sauters Halde“ davonspringen sehen“. Sauters Halde heißt in Diepoldshofen die seitlich der Mühle hochsteigende Anhöhe. Die beiden Männer wussten freilich nicht, dass es sich um einen zur Exekution bestimmten Gefangenen gehandelt hatte.

Aus einer Beobachtung von Herrn Joos und aus der Einstellungsverfügung6 der Staatsanwaltschaft Ravensburg können wir zu den Vorgängen am 25./26. April noch folgende Einzelheiten entnehmen.

Der Anführer der Gefangeneneinheit, Hauptmann Siebler, hatte, wie bereits erwähnt, bis dahin keine Möglichkeit gesehen, den Vollstreckungsbefehl für 16 Todeskandidaten, den er vor sechs Tagen, am 19. April, erhalten hatte, durchzuführen. Er brauchte dazu einen geeigneten Platz und die notwendige Zeit, um die für eine Hinrichtung vorgeschriebenen Maßnahmen beachten zu können. In Diepoldshofen hatte er nun einen längeren Aufenthalt einschieben und eine ihm geeignet scheinende Stelle im nahen Wald ausmachen können. Am Morgen des 25. April, des Tages vor der Exekution, bekam Herr Joos zufälligerweise Bruchstücke eines Telefongesprächs mit, das Siebler von der Grössermühle aus führte und bei dem die Rede war von, wie Joos zu hören glaubte, „36 Mann ohne Waffen“, die der Hauptmann abgeben wollte, dafür aber offenbar keinen positiven Bescheid erhielt. Der Adressat eines solchen Gespräches konnte nur Sieblers vorgesetzte Dienststelle sein. Wir wissen aus der Einstellungsverfügung7, dass sich das Kriegsgericht des AOK 19 von Gallmannsweil nach Vogt, Kreis Ravensburg, abgesetzt hatte. Nicht ausgeschlossen, dass Siebler tags zuvor, als er aus Richtung Schlier nach Diepoldshofen kam, noch Kontakt mit dieser seiner Dienststelle in Vogt gehabt hatte, dass das eben erwähnte Telefongespräch dorthin gegangen war und es sich dabei unter anderem auch um den schon fast eine Woche ausstehenden Vollzug des Vollstreckungsbefehls handelte.

Die Gruben wurden ausgehoben

Am Vormittag des 26. April wurden im nahen Wald die eigentlichen Vorbereitungen für die Hinrichtung getroffen (unter anderem Aushebung der Gruben für die Bestattung der Toten). Vielleicht sind dabei jene paar Schüsse gefallen (Probeschüsse?), die Herr Joos und sein Schwager (und wohl auch die Gefangenen der Grössermühle) gehört hatten und die später allem Anschein nach Anlass gaben, von einer ersten Exekution am Vormittag zu sprechen. Denn so erklärte Herr Joos den Vorgang, nachdem ihm rund zwei Wochen darauf zwei inzwischen freigekommene Gefangene der Einheit Siebler berichtet hatten, dass vormittags vier und nachmittags elf der Todeskandidaten erschossen worden seien. Diese Meinung musste sich später auch sonst noch in Diepoldshofen verbreitet haben, wie ein kurzes Schreiben vom 5. Juni 1950 ausweist, das an die Polizeibehörde der Stadt Essen ging und offenbar von der Gemeindeverwaltung Diepoldshofen stammte (siehe Vorwort). Dabei war allerdings anders, als die freigekommenen Gefangenen Herrn Joos angaben, von einer Exekution von 9 Mann am Vormittag und 6 Mann am Nachmittag die Rede.

Die Namen der Todeskandidaten werden verlesen

Am Nachmittag des 26. April ließ Siebler die Namen der 16 Todeskandidaten verlesen, für die er Vollstreckungsbefehl hatte, und Befehl geben, dass diese feldmarschmäßig anzutreten hätten. Dabei war nicht die Rede davon, dass es sich um einen Abmarsch zur Hinrichtung handle8. Einer der Aufgerufenen aber nutzte entweder jetzt die kurze Zeitspanne bis zum Abmarsch und flüchtete, oder er hatte sich schon vorher im Laufe des Tages unbemerkt davon gemacht, weil er irgendwie mitbekommen hatte, was bevorstand. Diese Flucht war, wie bereits erwähnt, von zwei Männern aus Diepoldshofen gesehen worden. Die genaue Tageszeit des Vorfalls lässt sich nicht mehr feststellen. Als die aufgerufenen Todeskandidaten feldmarschmäßig angetreten waren, wurden ihre Namen noch einmal verlesen. Spätestens dabei stellte sich heraus, dass einer der Aufgerufenen fehlte. Die Angetretenen wurden je zwei und zwei aneinandergefesselt und marschierten dann in Richtung des nahegelegenen Waldes ab (Beobachtung der Frau Auguste Mösle). Dort wurden sie zuerst in eine Hütte in der Nähe des Hinrichtungsplatzes geführt9, wo ihnen Siebler die vom Armeeoberbefehlshaber bestätigten Todesurteile eröffnete, deren Abschriften er sich am 19.4.1945 auf der Dienststelle des AOK 19 in Gallmannsweil selbst gefertigt hatte.

Letzte Briefe und ein Wehrmachtsgeistlicher

Danach erhielten die Verurteilten Gelegenheit, einen letzten Brief an ihre Angehörigen zu schreiben. Außerdem konnten sie sich noch durch einen anwesenden Wehrmachtsgeistlichen betreuen lassen, der, im Rang eines Unteroffiziers stehend, beim AOK Dienst tat. „Die Verurteilten sollen die Eröffnung gefasst entgegengenommen haben“, heißt es in der Einstellungsverfügung. Und weiter: „Die Erschießung erfolgte in zwei oder drei Gruppen, nachdem die Opfer an einen Baum gebunden waren und jeder eine Binde über die Augen bekommen hatte.“ Der bei der Exekution laut Vorschrift anwesende Arzt, ein Unterarzt der Wehrmacht, gehörte nicht zum Stab der Einheit Siebler, sondern war selber ein Gefangener.
Fortsetzung folgt

Fußnoten
1) Siehe Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Ravensburg vom 7.1.1957. Aus dieser Verfügung stammen auch die Angaben zur Marschroute der Einheit Siebler bis Diepoldshofen sowie alle Erkenntnisse, die Siebler selbst und sein Verhalten betreffen.

2) Die Zeitschrift „Revue“ – siehe Vorwort S. 1 – schreibt, das Heeresgefängnis habe sich seit September 1944 in Waldkirch befunden.

2a) Angabe der Tageszeit laut „Revue“

3) Aus der Bemerkung in „Revue“, Siebler habe bei den Gefangenen  während des Marsches verbreiten lassen, eine Hinrichtung sei nicht mehr zu befürchten, da er keine Verbindung mehr mit seiner Dienststelle habe, lässt sich das nicht ohne Grund vermuten. Auch Sieblers abwehrendes Verhalten, als er am 19.4.1945 sechzehn Vollstreckungsbefehle übermittelt bekam, deutet in diese Richtung.

4) Das Datum ist in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Ravensburg S. 7 und S. 8 angegeben.

5) Bei „Revue“ heißt der Stabsfeldwebel Ehlers.

6) Seite 3 und 4

7) Seite 9

8) Die Exekution gab Siebler seiner Einheit erst nach Durchführung der Hinrichtung bekannt, vgl. Einstellungsverfügung Ravensburg S. 4.

9) Es handelte sich bei der genannten Hütte um die heute nicht mehr vorhandene Schießhütte der ehemaligen Kyffhäuser-Kameradschaft Diepoldshofen.

Folge 1 der Serie erschien in der Bildschirmzeitung am 22. April unter dem Titel „Zu den Erschießungen am 26. April 1945“



LESEN SIE HIERZU AUCH …

Die Ausarbeitung des Heimatforschers Artur Angst von 1982 zum Soldatengrab in Diepoldshofen

Zu den Erschießungen am 26. April 1945

Diepoldshofen – Am 26. April 1945, zwei Tage vor dem örtlichen Kriegsende, wurden im Wald zwischen Diepoldshofen und Bauhofen 15 Wehrmachtssoldaten hingerichtet. Die Stadt Leutkirch richtet am kommenden Samstag, 26. April, auf den Tag genau 80 Jahre nach der Tragödie, eine Gedenkveranstaltung aus (um 19.30 Uhr startet auf dem Dorfplatz in Diepoldshofen ein Gedenkmarsch zur Hinrichtungsstätte; zuvor – um 18.30 Uhr – findet in der Pfarrkirche ein Gottesdienst statt). Die Bildschirmzeitung veröf…

NEUESTE BEITRÄGE

Leutkirch
Kommentar

Wenn das Rotor-Brummen die Totenruhe stört

Im Wald zwischen Diepoldshofen und Bauhofen plant die Firma RES, zwei bis vier Windkraftanlagen zu errichten (die genaue Anzahl ist der Bildschirmzeitung nicht bekannt).
von Gerhard Reischmann
veröffentlicht am 20. Mai 2025
Polizeibericht

Brand in Lackiererei

Friesenhofen – Noch unklar ist die Ursache eines Brandes in einer Lackiererei in Friesenhofen, zu dem am Montagmorgen (19.5.) Feuerwehr, Polizei und der Rettungsdienst ausgerückt sind.
In der Festhalle

Abschlussprüfungen an der Leutkircher Realschule haben begonnen

Leutkirch – Nach den Abiturienten wird es nun auch für die Prüflinge an Hauptschulen, Werkrealschulen und Realschulen ernst. Im Fach Deutsch haben heute (20.5.) die Abschlussprüfungen begonnen. An der Realschule Leutkirch treten 118 Prüflinge die Realschulabschlussprüfung an, den Hauptschulabschluss möchten 10 Schülerinnen und Schüler absolvieren.
Kino

Programm – Centraltheater Leutkirch “cineclub”

Leutkirch – Folgende Filme sind vom 22. Mai bis einschließlich 25. Mai im Centraltheater Leutkirch – “cineclub” zu sehen:
Jugendkino ab sofort einmal im Monat

Neues Angebot für Jugendliche in Leutkirch

Leutkirch – Der Jugendgemeinderat zeigt zusammen mit dem Cineclub Leutkirch e. V. Jugendfilme. Los geht’s am 28. Mai. Dann läuft im Kino in der Bachstraße der neue Marvel-Film „Captain America: Brave New World“.
Wendemanöver geht schief

Motorradfahrer leichtverletzt und rund 10.000 Euro Sachschaden

Leutkirch im Allgäu – Das Wendemanöver einer 71 Jahre alten Fiat-Fahrerin ist am Sonntagnachmittag in der Bahnhofstraße schiefgegangen und hat zu einem Unfall mit einem Motorradfahrer geführt.
Zeugen gesucht

Böller gezündet – Anwohnerin klagt über Knalltrauma

Leutkirch im Allgäu – Nachdem Unbekannte am Ostermontag, 21.04.2025, gegen 20.45 Uhr im Bereich der Oberen Vorstadtstraße unerlaubt Böller gezündet haben, hat nun eine Anwohnerin Anzeige wegen eines davongetragenen Knalltraumas auf dem örtlichen Polizeirevier erstattet.
“Müllsünder” gesucht

Rasenmäher in Wiese entsorgt – Polizeirevier ermittelt

Leutkirch im Allgäu – Einen blauen Kombi mit ausländischem Kennzeichen hatte ein Zeuge am Sonntagabend in der Sägestraße beobachtet, als dessen Fahrer anhielt, den Kofferraum öffnete und seinen alten Rasenmäher in der angrenzenden Wiese unerlaubt entsorgte. Das Polizeirevier Leutkirch hat eine Anzeige gegen noch unbekannten Mann aufgenommen und geht ersten Hinweisen zum “Müllsünder” nach.
Mehr als 200 km/h auf der Autobahn bei Leutkirch gefahren – Zwei Schwerverletzte

Ferrari landete in einer Wiese und brannte aus

Leutkirch – Ein mit zwei Personen besetzter Ferrari befuhr am Sonntagabend (18.5.) die A 96 in Richtung Memmingen. Vor der Anschlussstelle Leutkirch-Süd überholte er noch mehrere Fahrzeuge, wo seine gefahrene Geschwindigkeit auf deutlich über 200 km/h geschätzt wurde. In diesem Bereich gibt es keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Kurz danach verlor der 36-jährige Lenker des Ferrari infolge der hohen Geschwindigkeit in einer Linkskurve die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidierte zunächst m…
Am Dienstag, 20. Mai, von 18.00 bis 21.00 Uhr

Fotobuch erstellen bei der vhs

Leutkirch – Vom Digitalbild zum Fotobuch heißt ein Workshop der Volkshochschule am Dienstagabend, 20. Mai, von 18.00 bis 21.00 Uhr. Ein Fotobuch ist die moderne Alternative zum Fotoalbum.

MEISTGELESEN

Leutkirch
Wunderschönes Oberschwaben

Der Ellerazhofer Weiher aus der Vogelschau

Leutkirch – Unsere fotografierende Leserin Eva Zitzl aus Haisterkirch hat uns wieder ein wunderschönes Oberschwabenfoto geschickt. Das Motiv aus der Vogelperspektive zeigt den Ellerazhofer Weiher bei Leutkirch. “Ich sah ihn am Freitag Abend (16.5.) bei einer Ballonfahrt und war wieder hellauf begeistert von dieser sagenhaft schönen Landschaft in Oberschwaben!” Nachstehend die Aufnahme:
Zwischen Seibranz und Baierz

Handy am Steuer – Frontalzusammenstoß

Seibranz – Schwerer Unfall heute Mittag: Auf der L 301 von Seibranz in Richtung Baierz bediente ein Autofahrer sein Mobiltelefon und stieß mit einem Motorradfahrer zusammen.
Mehr als 200 km/h auf der Autobahn bei Leutkirch gefahren – Zwei Schwerverletzte

Ferrari landete in einer Wiese und brannte aus

Leutkirch – Ein mit zwei Personen besetzter Ferrari befuhr am Sonntagabend (18.5.) die A 96 in Richtung Memmingen. Vor der Anschlussstelle Leutkirch-Süd überholte er noch mehrere Fahrzeuge, wo seine gefahrene Geschwindigkeit auf deutlich über 200 km/h geschätzt wurde. In diesem Bereich gibt es keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Kurz danach verlor der 36-jährige Lenker des Ferrari infolge der hohen Geschwindigkeit in einer Linkskurve die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidierte zunächst m…
Vorankündigung

Musikverein Arnach feiert 175-jähriges Jubiläum

Arnach – Die erste nachweisliche Erwähnung des Musikvereins Arnach datiert auf das Jahr 1850. Entsprechend dürfen die Musiker auf stolze 175 Jahre Vereinsgeschichte zurückschauen, was mit einem dreitägigen Fest vom 23. bis 25. Mai feierlich gewürdigt werden soll.
Die Nachrufe jetzt ergänzt um die Ansprache von Dr. Thomas Hecker

Leutkirch nahm Abschied von Dr. Brigitte Schuler-Kuon

Leutkirch (rei) – Eine überaus große Trauergemeinde hat am 8. Mai Brigitte Schuler-Kuon auf ihrem letzten Weg begleitet. Die Ärztin, Stadträtin und ehrenamtlich so engagierte Frau war am 27. April im Alter von 64 Jahren verstorben. Die Trauerfeier auf dem Waldfriedhof wurde von Stadtpfarrer Karl Erzberger und Pastoralreferent Benjamin Sigg geleitet. Sigg wie auch Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle und Dr. Thomas Hecker für das Ärztezentrum würdigten die Verstorbene als den Menschen zugewandte,…

TOP-THEMEN

Leutkirch
Im Wald zwischen Diepoldshofen und Bauhofen plant die Firma RES, zwei bis vier Windkraftanlagen zu errichten (die gen…
Leutkirch – Ein mit zwei Personen besetzter Ferrari befuhr am Sonntagabend (18.5.) die A 96 in Richtung Memmingen. Vo…
Seibranz – Schwerer Unfall heute Mittag: Auf der L 301 von Seibranz in Richtung Baierz bediente ein Autofahrer sein M…

Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk in Allgäu-Oberschwaben

VERANSTALTUNGEN

Leutkirch