Störung der Totenruhe
Zu den Windkraftplanungen im Diepoldshofer Wald (Bereich zwischen Diepoldshofen und Bauhofen)
„Wanderer, kommst du nach Diepoldshofen, verkündige dorten, du habest uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.“
Dieses abgewandelte Zitat von Friedrich Schiller fiel mir ein, als ich zufällig über meinen unlängst in der Bildschirmzeitung erschienenen Leserbrief stolperte:
https://www.diebildschirmzeitung.de/allgaeu-oberschwaben/leutkirch/ein-ort-der-pietaet-verlangt-107556/
Das Geschehen im Jahre 1945 ist darin ausreichend beschrieben. Ein menschenverachtendes Gesetz und seine unmenschliche Anwendung haben zum Tod von 15 jungen Männern geführt. Verstörend wirkt, dass mir in Diepoldshofen niemand mit Sicherheit Auskunft geben konnte, ob die 15 Opfer in der Gedenkstätte an der Straße, die den Wald durchquert, ruhen oder ob sich die eigentliche Ruhestätte weiter oben im Wald, wo die Opfer getötet und später auf Anordnung der französischen Besatzungsmacht ordentlich beigesetzt wurden, befindet.
Eine Anfrage beim Volksbund Kriegsgräberfürsorge ergab, dass diesem keine Angaben über eine Verlegung auf eine andere Kriegsgräberstätte vorliegen. Die Grabstätte, hier nicht als Denkmal bezeichnet, wurde Anfang der 50er-Jahre errichtet und besitzt bleibenden Schutz nach dem (Bundes-) Kriegsgräbergesetz vom 01.07.1965. Diese aus dem Gesetz resultierende Last geht allen öffentlichen und privaten Rechten an dem Grundstück vor!
Die Fläche der Grabstätte betrug 48 qm. In einem Bericht aus der damaligen Zeit wurde vermerkt, dass auch ein Teil der Opfer außerhalb der Grenzen dieser Grabstätte ruhen könnte. Die Pflegeaufwendungen für Kriegsgräber gehen zu Lasten der Gemeinde, auf deren Fläche sich die Grabstätte befindet.
Bezüglich der aktuellen Bestrebungen, den Diepoldshofener Wald mit Windkraftanlagen zu bestücken, könnten nicht nur die strafrechtlich relevanten Ausführungen „Störung der Totenruhe“, sondern auch das Kriegsgräbergesetz Bedeutung erlangen.
Es verwundert, dass der Ortschaftsrat von Diepoldshofen sich bisher zu keiner Stellungnahme aufraffen konnte.
Soviel bekannt ist, hat der Windkraft-Projektierer, die Fa. Rees, bisher die Waldeigentümer informiert und um deren Zustimmung geworben. Die in der Bevölkerung kursierenden Jahrespachten von 150.000 € habe ich als unrealistisch bezeichnet.
Wie hoch das tatsächliche Angebot der Fa. Rees ist, wissen nur die Grundstückseigentümer.
Erfahrungswerte aus ähnlichen Vorhaben nennen Jahrespachten von 40.000 € bis 60.000 € pro Anlage und Jahr für 25 Jahre, was einen Gesamterlös von 1 Million € bis 1,5 Millionen € entspräche. Diese Erfahrungswerte beziehen sich allerdings noch auf eine Zeit, als die Anlagenleistung sich um 3 MW bewegte. Heutige Anlagen besitzen eine Nennleistung von 6 MW und darüber. Es soll Grundeigentümer geben, die nichts gegen zwei oder mehrere Anlagen auf ihren Grundstücken einzuwenden hätten.
Wo genau diese Anlagen hinkommen sollen und wieviele es werden, ist nur den Waldeigentümern bekannt.
Sicherlich werden die Projektierer die Wohltaten erwähnen, die die späteren Betreiber an die Umgebungsgemeinden aufgrund gesetzlicher Vorgaben ausschütten müssen: 0,2 Cent pro KWh. Die Betreiber selbst erhalten aber angeblich 11 Cent pro KWh, das ist das 55-Fache, was die Allgemeinheit erhält (0,2 Cent x 55 = 11 Cent.).
Wer von uns „normalen“ Stromkunden mit 33 Cent/KWh Bezugspreis davonkommt, hat Glück gehabt. Er bezahlt damit das 165-fache von dem, was die Allgemeinheit an „Wohltaten“ erhält.
Kein Wunder, dass sich so manches „Energiebündnis“ aus der näheren oder ferneren Umgebung als Teilhaber oder, falls selbst Grundeigentümer, als Verpächter interessiert.
Die rücksichtslose Vermarktung unserer deutschen Landschaften unter dem Deckmantel des
„Umweltschutzes“ durch angebliche CO2-Einsparung geht in unserem Land unter den Fittichen der Protagonisten von Schwarz und Grün ungehindert weiter. Auch unsere „schwarzen“ Vertreter haben keine Hemmungen, das alte sozialistische Prinzip zu adaptieren: „Gewinne personalisieren, Verluste und Lasten sozialisieren.“
Mit der Höhe des erwarteten „Reibachs“ fallen offensichtlich auch die letzten Hemmungen, die sich aus der Verbundenheit mit der heimatlichen Landschaft, ihrer Geschichte und ihren Bewohnern ergeben könnten. Leben Grundeigentümer gar in anderen Regionen, dürften Begriffe wie Verantwortung für das eigene Handeln ins Fremdwörterlexikon verschoben werden.
Die noch im Werden befindlichen Pläne können auch Existenzen gefährden, die vom Fremdenverkehr abhängig sind. Sicherlich hat Leutkirchs Oberbürgermeister wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass der am Rande des Diepoldshofener Walde befindliche „Allgäu-Bergferienhof “ mehrmals die Auszeichnung „Schönster Bergferienhof Baden-Württembergs“ erhielt. Von Einwendungen seitens des Herrn OB gegen die laufenden Planungen ist hier nichts bekannt. Vielleicht ist dem Herrn OB auch der Erwerb der nächsten Stufe des „Energy-Awards“ wichtiger als Einzelschicksale?
Das Brummen und Rauschen von 270 m hohen Windkrafttürmen wie auch das Aufreißen des Diepoldshofener Waldes für überbreite Transportwege, für Betonfundamente und für Montageflächen für gewaltige Kräne dürften selbst aus der Sicht des Herrn OB nicht als attraktivitätsfördernd im Bereich des Fremdenverkehrs angesehen werden.
Soeben erhielt ich die Meldung, dass ein Abgeordneter, der bei uns durch seine die Heimatverbundenheit betonende Äußerungen (Schloss Zeil mit seiner Kirche bezeichnete er als einen seiner „Kraftorte“) bekannt ist, sich dieses Problems annehmen will. Dieses Versprechen gab er allerdings in einem ähnlich gelagerten Fall bei Pfänders, Gemeinde Aitrach, ebenfalls ab. Ein Erfolg blieb vollständig aus.
Wie sollte dieser auch eintreten, da dieser Abgeordnete sich in Stuttgart publikumswirksam verpflichtet hatte, die energiepolitischen Ziele von Grün/Schwarz vollumfänglich umzusetzen? Einem Metzger wird man vergleichsweise wohl kaum abnehmen, dass er sich für die Reduzierung des Fleischkonsums einsetzt. Sollte das neuerdings wiederaufflammende Mitgefühl für die Betroffenen durch die nahende Landtagswahl, voraussichtlich März 2026, begründet sein?
Vermutlich würde auch Bad Wurzach noch einen dünnen Hauch von den Segnungen der 0,2 Cent/KWh abbekommen. Vielleicht ein Grund für den Bad Wurzacher Gemeinderat und die Verwaltung, keine kritische Stellungnahme zu diesen Plänen abzugeben. Dass Teile der Gemarkung, aber auch der Zentralort, in erheblichem Maße von den negativen Auswirkungen der Anlagen betroffen wären, nimmt man bei Gemeinderat und Verwaltung nicht zur Kenntnis oder ist zu bequem, eine Evaluation zur optischen und sonstigen physikalischen Wirkungen in Auftrag zu geben.
Aber vielleicht betrachtet man bei beiden Institutionen die Monstertürme vor der eigenen Haustür auch als Werbung für den „Kur“-Ort Bad Wurzach?
Hans-Joachim Schodlok, Bad Wurzach
Anm. d. Red.: Nach unseren Erkenntnissen ruhen die 15 getöteten Soldaten in der Gedenkstätte an der Straße Diepoldshofen – Bauhofen.
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