Die Woche bis zum Kriegsende in Leutkirch am 28. April 1945

Leutkirch – Vor 80 Jahren. Am Samstag, 28. April 1945, rollten nachmittags französische Panzer aus Reichenhofen Richtung Leutkirch. Damit endete der Zweite Weltkrieg in der Nibelstadt. Die Woche zuvor befand sich die Bevölkerung aber zwischen Hoffen und Bangen. Darüber berichtete letzten Sonntagnachmittag, 27. April, ab 14.00 Uhr Matthias Hufschmid von der Volkshochschule Leutkirch im Bocksaal. Sein rund 40-köpfiges Publikum erlebte dort einen Bericht – spannender als ein Krimi. Beeindruckend dabei: die vielen Einzelheiten, auf die Hufschmid hinwies. Ausführlich bebildert.
Mittwoch, 25. April 1945. Eine Menschenmenge versammelt sich am Rathaus. Sie will, dass der Krieg in der Eschachstadt so schnell wie möglich vorbeigeht. Angesehene Bürger Leutkirchs hatten schon am gleichen Tag den Bürgermeister dazu aufgefordert, die Panzer-Sperren im Stadtgebiet zu entfernen. Denn Orte, in denen sich solche Blockaden befanden, gerieten schnell unter Artilleriefeuer und Fliegerbomben der anrückenden französischen Truppen.

Rot markiert: die acht Panzersperren.
Protest vor dem Rathaus
Und so wussten Max Drexler, Rechtsanwalt Kiechle, Hugo Härle, Carl Härle, Otto Krimmer und Peter Linder einen beachtlichen Teil der Bevölkerung hinter sich, als sie den Rathauschef dazu aufforderten, die Barrieren entfernen zu lassen. Dieser meinte, er könne das nicht befehlen – das sei Sache der Nazi-Partei und der Wehrmacht. Die genannten Bürger sollten später noch einmal zum Bürgermeister kommen. Bis dahin hatte sich allerdings eine Menge Leute ums Rathaus versammelt. Wehrmachtssoldaten standen ebenfalls dort. Es ergab sich eine “brenzlige Situation”, berichtete Matthias Hufschmid bei seinem spannenden Vortrag. Der Bürgermeister haben verboten, weiße Fahnen (als Zeichen des Friedens) aufzuhängen und drohte bei einer Rede vom Rathausbalkon.

Von der SS ermordet, weil sie die Panzersperre in der Memminger Straße abbauen wollten: Josef Luz und Michael Maischberger.
Schließlich erlaubte wohl die Nazi-Kreisleitung in Wangen doch, die acht Panzersperren in Leutkirch abzubauen. Doch sie bleiben zunächst stehen. Nachdem tags darauf Tiefflieger die Stadt Leutkirch angriffen, zeigte sich: Es muss etwas getan werden. Die Leutkircher Bürger Josef Luz und Michael Maischberger begannen deshalb selbst, in der Memminger Straße so eine Panzersperre wegzureißen. Kurz danach erschien die SS und erschoss die beiden. Das war am 27. April, einem Freitag. Der “schwarze Freitag” für Leutkirch – so Matthias Hufschmid. Danach sei “einer wahllosen Verhaftungswelle” durch Leutkirch gezogen, erzählte Hufschmid. Festgesetzt wurde dabei etwa der katholische Pfarrer. Und die SS habe eine “Schein-Hinrichtung” an einem Bürger vollzogen.

Französisches Militär in Leutkirch.
Befreiung. Erst die einfahrenden französischen Panzer setzten am 28. April 1945 dem Nazi-Terror ein Ende. Die französischen Befreier hatten dabei viel mehr deutsche Soldaten in Leutkirch befürchtet. Doch statt der erwarteten 30.000 Wehrmachts-Männer stießen die Befreier auf eine fast menschenleer wirkende Stadt. Deren Bevölkerung bestand in jenen Tagen allerdings aus fast doppelt so vielen Leuten wie vor Kriegsbeginn 1939: versprengte Truppen, Flüchtlinge … Der Vortragsredner riet zur Nachdenklichkeit: „Wie hätten wir uns verhalten? Was hätte ich gemacht”, fragte er ins Publikum.
Bei Hufschmids Vortrag zeigte sich: Was der stellvertretende Volkshochschulleiter da schilderte, hätte sicherlich ein spannendes Buch füllen können. Von der Lage Südwestdeutschland gegen Kriegsende 1945 bis zu den recht genauen Standorten der acht Panzersperren direkt in Leutkirch (eigens dargestellt auf einem Stadtplan) und etlichen Originalfotos aus jenen dramatischen Tagen 1945 erzeugte Hufschmid beeindruckend Spannung wie in einem Film. Hufschmid wies dabei auch auf ein Haus an der Ottmannshofer Straße, wo sich die Folgen des Fliegerangriffs von damals noch heute erkennen lassen.
Am 4. Mai mit den Rad zur Muna
Kommenden Sonntag, 4. Mai, soll’s dann mit der Volkshochschule zu einer Radtour nach Urlau gehen. Dort an die Original-Schauplätze des damaligen Munitionslagers Muna. Matthias Hufschmid hatte sie in seinem Vortrag ausführlich vorgestellt. Wer selbst mitradeln möchte, informiere sich unter
https://kurse.vhs-leutkirch.de/kuferweb/webbasys/index.php?kathaupt=11&knr=251-10119&kursname=80+Jahre+Kriegsende+-+Radtour+Urlauer+Tann&katid=1
Text und Fotos: Julian Aicher
