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Werke von Klaus Prior im Neuen Schloss, im Schauraum Huber und anderswo im Ort

Kißlegger Skulpturensommer



Foto: Herbert Eichhorn
Der Themenraum „Isolation – Angst – Tod“ im Neuen Schloss

Kißlegg – Für dieses Jahr hatten Bürgermeister Dieter Krattenmacher und sein Team eine schöne Idee: Zum 80. Geburtstag von Klaus Prior zeigen sie im Neuen Schloss, im Schauraum Huber und auf einem Parcours durch den Ort Skulpturen und Gemälde des eng mit Kißlegg verbundenen Künstlers.

Erinnerung an legendäre Zeiten

Das ehrgeizige Ausstellungsprojekt dieses Sommers weist auch zurück auf die legendären Jahre rund um die Jahrtausendwende, als Kißlegg und vor allem das Neue Schloss wichtige Landmarken auf der kulturellen Landkarte des Südwestens waren. Ewald Schrade war zwar mit seiner bekannten Galerie bereits weitergezogen nach Schloss Mochental. Aber mit dem Museum Expressiver Realismus und später mit dem Museum Rudolf Wachter zogen ungewöhnliche Sammlungen die Besucher an. Genau zu dieser Zeit teilte sich Klaus Prior mit dem Maler Uli Scheitenberger ein großes Atelier auf dem ehemaligen AWO-Gelände beim Bahnhof. Der Künstler hatte wichtige Ausstellungen in der Region. In Oberschwaben entstand aber auch ein Netzwerk von Freunden und Sammlern, das bis heute, da Prior seinen Lebensmittelpunkt längst im Tessin hat, besteht.

„Ohne Titel“: eine Leihgabe der Stadt Leutkirch im Neuen Schloss; Foto: Herbert Eichhorn

Der Mensch in seiner Verwundbarkeit

Klaus Prior ist Maler und Bildhauer. In den 1990er-Jahren fand er in beiden Bereichen zu seiner typischen Bildsprache. Die ist – was damals gewissermaßen in der Luft lag – sowohl in seiner Malerei als auch bei seinen Skulpturen heftig, expressiv zupackend. Hier arbeitet er mit dem breiten Pinsel, dort mit der Kettensäge. Die Kettensäge, mit der er die Formen aus den Baumstämmen holt, ist Priors wichtigstes Werkzeug. Sie zwingt ihn zur Formvereinfachung. Gleichzeitig hinterlässt sie auf der Oberfläche der Hölzer ihre typischen Spuren. Und diese passen gut zu dem, um was es dem Bildhauer in allen seinen Arbeiten geht: den Menschen in seinem Gefährdetsein, in seiner Verwundbarkeit zu zeigen. Seine Figuren sind denn auch oft verletzt, beschädigt. Häufig fehlen ihnen zum Beispiel die Arme. Manche Arbeiten tragen diese Beschädigungen dann auch im Titel, so etwa bei „Torso“ oder „Einbeiner“.

Meistens bemalt Klaus Prior seine Skulpturen aus Holz anschließend mit Ölfarbe, oft in Schwarz oder Weiß. Zwischen diesen bemalten Plastiken sind dann aber gerade auch seine unbemalten Figuren faszinierend. Hier spricht das Material Holz stärker mit. So etwa in den Arbeiten, für die der Bildhauer das Holz des Mammutbaumes mit seiner großen ruhigen Maserung verwendet hat. Auch die verwitterten Hölzer haben ihren eigenen Reiz. In dieser Hinsicht besonders schön sind zum Beispiel die „Drei Köpfe“ aus dem Jahr 2012, die gegenüber vom Bahnhof platziert wurden.

Im Treppenhaus des Neuen Schlosses begegnen sich Skulpturen aus dem 18. und aus dem 21. Jahrhundert; Foto: Herbert Eichhorn

Thematische Räume im Neuen Schloss

Die Ausstellung in der lichtdurchfluteten Raumfolge im Neuen Schloss ist in thematische Räume gegliedert. In kurzen Texttafeln wird das jeweilige Thema kurz erläutert. Fragen geben Denkanstöße.

Im Raum „Berührung – Umschlungen“ werden weiß gefasste Skulpturen von Paaren gezeigt. Zum Teil bliebt unklar, ob wir es mit einer liebenden Umarmung oder eher mit einem Kampf zu tun haben.

Im Raum „Bewegung – Movimento“ bildet die schwarz bemalte Figurengruppe „Veitstanz“ den Blickfang.

Endgültig um die dunklen Seiten der menschlichen Existenz geht es im Raum „Isolation – Angst – Tod“. Während bisher an Zeichnungen erinnernde Ölgemälde auf weißem Hintergrund dominierten, sind die Großformate hier stark farbig. Die Bildthemen sind auch danach, zum Beispiel „Höllensturz“ oder „Dies Irae“ („Tag des Zorns“) nach dem berühmten Motiv aus der Totenmesse. Passend dazu erklingt im Raum dann vom Band das „Dies Irae“ aus Mozarts Requiem. Am Boden winden sich schwarz bemalte Figuren mit dem Titel „Veteranen“.

In einem kleineren Raum sind dann Köpfe als Gemälde oder als Skulptur zu sehen. Gleich daneben wird unter dem Motto „Zeichnung als Tagesübung“ eine Auswahl der lockeren Pinselzeichnungen des Künstlers präsentiert. Im erläuternden Text erfährt man, dass Priors Zeichnungen nicht als Vorzeichnungen für Skulpturen oder Gemälde gedacht sind, sondern als tägliche, gewissermaßen meditative Übung.

Original und Abguss

Der letzte Raum ist schließlich ein didaktischer. Es geht um das Gießen von Skulpturen. Irgendwann hat Klaus Prior angefangen, seine mit der Kettensäge aus dem Holz geholten Plastiken in Eisen, aber zum Teil auch in anderen Metallen abzugießen. Sicher ging es ihm dabei auch darum, Varianten seiner Werke zu schaffen, die man bedenkenlos Wind und Wetter aussetzen kann. Das Verfahren wird anschaulich erläutert und es werden einige Gegenüberstellungen von in Holz ausgeführtem Original und verschiedenen Abgüssen gezeigt.

Blick in die Ausstellung im Schauraum Huber, im Vordergrund „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“; Foto: Herbert Eichhorn

Die Ausstellung im Schauraum Huber ist nur noch wenige Tage zu sehen

Auf keinen Fall verpassen sollte man den zweiten Teil der Ausstellung im Schauraum von Flaschnermeister Wolfgang Huber. Da dort die Ausstellung bereits am 24. Mai endet, besteht dazu leider nur noch an wenigen Tagen die Gelegenheit. Hier konzentriert sich die Auswahl stärker auf die Bildhauerarbeiten. Diese Konzentration wird noch unterstrichen durch das indirekt in die schönen Räume fließende Licht.

Es gibt dort einige Schlüsselwerke im bildhauerischen Schaffen von Klaus Prior zu sehen. Die Figurengruppe „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ von 1994 aus recht farbig bemaltem Zedernholz markiert zum Beispiel den Moment, in dem sich Prior dazu entschlossen hat, als Bildhauer zu arbeiten. Das andere Ende des Ausstellungsraums dominiert seine große, zweiteilige Pietà aus ochsenblutrot bemaltem Zedernholz. Die Pietà, im Deutschen auch Vesperbild, also die Darstellung der trauernden Muttergottes mit dem vom Kreuz abgenommenen Christus auf dem Schoß, ist seit dem Mittelalter eines der klassischen Themen der Bildhauerkunst. Dabei ist Michelangelos Pietà im Petersdom sicher das berühmteste Beispiel.

Klaus Priors „Pietà“; Foto: Herbert Eichhorn

Eine Pietà für unsere Zeit

Klaus Prior dreht die Verhältnisse allerdings spektakulär um. Der in sich zusammensinkende Sohn steht hinter dem am Boden liegenden Torso der weiblichen Figur. Dieses vor dem Hintergrund der blutigen Balkankriege entstandene Werk thematisiert äußerst eindrucksvoll Tod, Trauer und Leid. Wenn man dann gerade in Schloss Achberg einen Guss der Pietà von Käthe Kollwitz aus den 1930er-Jahren gesehen hat, kommt man ins Nachdenken. 1993 ließ Bundeskanzler Helmut Kohl in einer damals sehr umstrittenen Aktion eine vielfach vergrößerte Fassung der Skulptur in der Berliner Neuen Wache, der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik, aufstellen. Ein modernes Kunstwerk wie dieses von Klaus Prior wäre damals vielleicht tatsächlich angemessener gewesen, sozusagen eine Pietà für unsere Zeit.

Mit einem Faltblatt kann man die Freiluftausstellung erkunden; Foto: Herbert Eichhorn

Kißlegg als attraktiver Ort der Kunst

Auch den dritten Teil des Kißlegger Skulpturensommers sollte man sich nicht entgehen lassen. Rund um den Schlosspark wurden große Skulpturen zu einer Art Parcours angeordnet. Ein Faltblatt mit einem Übersichtsplan, mit dem man diese Freiluftausstellung erkunden kann, liegt im Neuen Schloss aus.

Nachdem man die Runde absolviert hat und so nun die unterschiedlichen Aspekte im Werk von Klaus Prior erkundet hat, sich anschließend beim Neuen Schloss noch ein Eis oder ein Vesper gegönnt hat, fährt man zufrieden nach Hause. Die Fahrt nach Kißlegg – zumal bei solchem Kaiserwetter – hat sich gelohnt. Man möchte Bürgermeister Krattenmacher und die Kißlegger eigentlich ermutigen, ein solches Projekt, bei dem verschiedene Ausstellungsorte so gut zusammenspielen, bald wieder in Angriff zu nehmen. Natürlich ist eine solche Unternehmung mit einem ziemlichen Aufwand verbunden, auch finanziell, den eine Gemeinde nicht einfach aus der Portokasse stemmen kann. Aber mit einer Veranstaltung wie dieser strahlt die Gemeinde wieder einmal weit hinaus als ein wichtiger und attraktiver Ort der Kunst zwischen Donau und Bodensee.
Herbert Eichhorn

Ausriss aus dem Faltblatt

Die Nummern geben Prior-Standorte in diesem Sommer an (Ausriss aus dem Faltblatt).

Katalog

Die Gemeinde Kißlegg hat zu der Ausstellung ein inhaltlich und gestalterisch gut gemachtes Katalogbuch zum Preis von 25 Euro herausgebracht. Es enthält u.a. Texte verschiedener Autoren und auch ein Gespräch zwischen dem Künstler und der Ausstellungskuratorin Andrea Dreher.

Prior in Kißlegg: Orte und Zeiten

Ausstellung Klaus Prior „una lunga storia“
13. April bis 26. Oktober 2025
Neues Schloss Kißlegg
Dienstag, Donnerstag, Freitag 14.00 bis 17.00 Uhr
Sonntag und Feiertag 13.00 bis 17.00 Uhr

Ausstellung Klaus Prior Malerei und Skulptur
Schauraum Huber
Schlossstraße 58/1 Kißlegg
Nur noch bis 25. Mai 2025
Samstag und Sonntag 14.00 bis 17.00 Uhr

In unserer Bildergalerie Impressionen aus den Ausstellungen im Neuen Schloss, im Schauraum Huber und rund um den Schlosspark. (Fotos: Herbert Eichhorn)



BILDERGALERIE

Fotos: Herbert Eichhorn

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