VHS Bad Wurzach besuchte gemeinsam mit Stadtarchivar Michael Tassilo Wild die Landesausstellung

Bad Wurzach – Mit einem vollbesetzten Bus voller interessierter Bürger startete die Gruppe an diesem Samstagvormittag (17.5.) in Richtung Bad Schussenried mit dem Ziel des dortigen Klosters, in dem die Landesausstellung „Uffrur – Utopie und Widerstand – 500 Jahre Bauernkrieg“ des Landesmuseums Württemberg stattfindet.
Stadtarchivar Wild gab während der Busfahrt eine kleine Einführung in die Ausstellung. „Es ist schon relativ selten, dass eine solche Ausstellung nicht zentral –etwa in Stuttgart – gezeigt wird.“ Aber es sei eine wunderbare Gelegenheit gewesen, diese Ausstellung quasi am Ort des Geschehens zu zeigen. Er erläuterte auch die Gründe, warum sich der „gemeine Mann bzw. Bürger“ gegen die Obrigkeit aus Adel und Klerus erhob. Dabei seien unter den Aufständischen durchaus wohlhabende Bürger gewesen.
Der Aufstand begann im Sommer 1524 in Südbaden mit ersten bewaffneten Bauernhaufen, die ihre Forderungen an die Herrschaften stellten. Im Februar/März 1525 eskalierte die Lage, als die Aufständischen Klöster und Burgen plünderten und in Brand setzten. Anfang März 1525 wurden in Memmingen die 12 Artikel beschlossen, in denen es unter anderem heißt „Wir wollen frei sein.“ Dann eskalierte die Lage mit der Schlacht bei Leipheim am 4. April 1525. Bei Wurzach, seiner Stadt, versuchte der Bauernjörg es zuerst mit Verhandeln, ehe er am 14. April mit vier Artillerie-Salven die Aufständischen in die Flucht schlug. Das Interesse des Bauernjörgs die Bauern zu töten war gering, da es sich ja zum Teil um seine Leute handelte. Die Brutalität in diesem Konflikt hielt sich noch in Grenzen, es kam zum Weingartener Vertrag, ein Kompromiss, der am 17. April in Weingarten geschlossen wurde. Bis dahin hatte sich die Kunde von der Bluttat von Weinsberg (16. April) noch nicht bis Oberschwaben herumgesprochen. Doch danach eskalierte der Konflikt gewaltig.
Der Bauernjörg war als oberster Offizier und Kriegsherr direkt dem Kaiser unterstellt und stand in dem Ruf „der Problemlöser“ zu sein. Zu dieser Zeit war das Geschlecht des Truchsess noch von niedrigem Adel. Sein Job war bis dato : Raubritterburgen in die Luft zu jagen. Früher genügten 15 bis 20 Soldaten, um eine solche Burg gegen eine Übermacht von 150 bis 200 Leuten zu verteidigen. Mit der Erfindung der Kanonen und Feuerwaffen war dieser Vorteil passé.
Wild vermittelte bei seiner kleinen Einstimmung auf die Ausstellung auch einen kleinen Blick auf den „Lohnzettel“ des Bauernjörg. Dieser erhielt für seine Dienste die enorme Summe von 1.000 Gulden im Monat, während ein Pfarrer 600 Gulden im Jahr erhielt, ein Landsknecht gar nur vier Gulden im Monat. Aber er musste auch finanziell in Vorleistung gehen, weil er nur ein Drittel seines Bugdets vom Schwäbischen Bund erhielt. Und der Schwäbische Bund holte sich das investierte Geld von den Bauern zurück: Zahlen oder Brandschatzung waren deren Alternativen.
Die Führung
Für die Führung erhielt jeder Teilnehmer einen Ohrhörer mit entsprechendem Empfänger, dank dem alle Teilnehmer den Ausführungen der kompetenten Führerin Wibke Schmid in allen elf Räumen und zu den 160 ausgestellten Objekten folgen konnten. Die Archäologin, die auch Geschichte und Kunstgeschichte studiert hatte, hat als zweites Standbein noch einen Job auf der Heuneburg bei Herbertingen. Sie stieg mit einer Begriffserklärung von Uffrur! In die Führung ein: Übermannt von Gefühlen, keine Macht mehr über Emotionen. Dann kam man in den Raum in dem die KI generierten Figuren – beinahe überlebensgroß – über ihre Utopie sprechen konnten.
KI-animiert
Einige der KI animierten Figuren, die zu Wort kommen, waren Künstler oder Kürschner, also Handwerker, aber auch Bäuerinnen und Leibeigene kamen zu Wort. Auch der in einem anderen Zusammenhang zu Berühmtheit gelangte fränkische Ritter Götz von Berlichingen (der mit der eisernen Faust und dem liebevollen Zitat) kämpfte einige Zeit auf Seiten der Bauern, gegen seinen Willen, wie er später behauptete. Es kamen aber auch Personen der Gegenseite zu Wort. So der Abt des Klosters Weißenau, Jakob Murer, der den Anliegen der Bauern durchaus mit Verständnis begegnete, aber die alte Ordnung verteidigte. Ihm hat die Nachwelt die Murer Chronik zu verdanken, die er über den Bauernkrieg anfertigen ließ. Dessen zentrale Figur war Georg Truchsess von Waldburg, genannt der Bauernjörg, ein Adliger und Feldherr, der vom „Schwäbischen Bund“, einem Zusammenschluss von Fürsten, Adligen und Reichsstädten den Auftrag erhalten hatte, den Aufstand niederzuschlagen. In der Kommandozentrale, dort wo ein Artillerie-Geschütz und eine Hakenflinte im zweiten Obergeschoss des Klosters ausgestellt sind, erzählt der Bauernjörg, wie er in der Schlacht von Böblingen gegen die Aufständischen vorging.
Ohne die große Verbreitung von Flugschriften, denen in der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet war, wären weder Luther´s Reformation noch die Verbreitung der 12 Artikel in Europa und den deutschen Königreichen und Fürstentümer möglich gewesen. Die Utopie von Freiheit platzt für die Aufständischen nach den verheerenden Niederlagen in verschiedenen Schlachten, der Aufstand implodiert. Der Adel siegt, die besiegten Bauern werden bestraft.
Eine archäologische Sensation hatte die Führerin Wibke Schmidt noch auf Lager, bevor man aus den wegen der vielen Animationen abgedunkelten Räume wieder ans Tageslicht trat: Bei Ausgrabungen in Leipheim, dort wo im Schwäbischen die erste Schlacht stattfand, wurden im Jahre 1994 Knochen von 26 Personen gefunden, davon konnten bisher 22 als Männer identifiziert werden, die damals ermordet wurden. Allerdings konnten dabei bisher auch die Knochen mindestens einer Frau zugeordnet werden, was bedeutet, dass auch Frauen mitkämpften.
Mit zwei Umfragebuzzern möchten die Ausstellungsmacher feststellen, wie die Besucher auf das Gesehene und Gehörte reagieren. Reden und Verhandeln oder Uffrur! sind dabei die Alternativen. Für die einzelnen Personen, die im Laufe des Rundganges zu Wort kamen, konnten die Besucher Sympathiepunkte vergeben. Dass dabei der Bauernjörg sehr schlecht wegkam ,war der doch einseitigen Darstellung der Ausstellungsmacher geschuldet, die ihn nur als brutalen Heerführer präsentierten und damit die Ambivalenz der Figur nicht gerecht wurde. Denn Stadtarchivar Michael Wild hatte in seinem Vortrag diese Ambivalenz gut herausgearbeitet. Vielleicht lag es auch daran, dass die Historiker und Kunsthistoriker in Stuttgart nicht den Zugriff auf bestimmte Quellen hatten, die dieses Bild ein wenig hätten entzerren können.
Ein verzerrtes Bild hatten wohl auch einige Besucher aus dem Ballungsraum der Landeshauptstadt, die sich bei der Führerin negativ darüber äußerten, dass die Ausstellung aus ihrer Sicht „in der Pampa“ stattfindet. Anstelle sich der Region bewusst zu werden, wo damals die Brennpunkte des Bauernkrieges waren.
Bei der Heimfahrt stellte Michael Wild, fest: „Geschichte wird immer instrumentalisiert.“ Der Bauernkrieg sei die erste europäische Massenbewegung (nicht zuletzt wegen der zahlreichen Flugschriften) gewesen. Einige der in den zwölf Artikeln aufgestellten Forderungen wie Freiheit und Grundrechte sind gerade heute wieder weltweit topaktuell. Die Utopie war damals gescheitert und wurde erst mit der Revolution 1848 als mehr als 300 Jahre später wieder aktuell.
Ein wenig schade fanden einige der Exkursionsteilnehmer, dass es keinen Ausstellungskatalog gibt. Michael Wild gab zu, dass ihm die Ausstellung sehr gut gefallen hat, „auch wenn die Kleidung der KI-Personen nicht der Zeit entsprachen.“
Viele Bilder in der Galerie