Moor-Momente: Der schimpft wie ein Rohrspatz

Bad Wurzach – Waren Sie kürzlich am Riedsee oder am kleinen Weiher im hinteren Bad Wurzacher Kurpark spazieren? Überall dort, wo dichte Schilfbestände im Wasser stehen, hört man aktuell einen auffallend lauten Vogel aus dem Röhricht singen – oder besser gesagt schnarren und schwätzen. Gemeint ist der Teichrohrsänger, ein kleiner Singvogel aus der Gruppe der Rohrsänger, die im Sommer die Röhrichte und feuchten Pflanzendickichte bewohnen.
Nur mit viel Glück wird es gelingen, einen Blick auf den eifrigen Sänger, der etwas kleiner und schlanker als ein Sperling ist, zu erhaschen. Denn durch seine einfarbig braune Oberseite und beige Unterseite ist der Teichrohrsänger zwischen den Röhrichthalmen perfekt getarnt. Diese gute farbliche Anpassung an den Lebensraum teilt der Teichrohrsänger mit den anderen Rohrsängern, so dass ihre Bestimmung am besten anhand des Gesanges gelingt.
Während einige Arten wahre Imitationskünstler sind und immer neue Töne in ihr Repertoire einbauen, ist der Teichrohrsänger-Gesang eher monoton, mit zwei- bis dreifacher Motivwiederholung und ohne Triller – dafür aber sehr ausdauernd: „Tri tiri tiri tier tier zäck zäck“ kann es minutenlang ohne Pause aus dem Schilf ertönen. Leicht entsteht der Eindruck, als würde jemand aus dem Schilfrohr heraus schimpfen, und das Sprichwort „Der schimpft wie ein Rohrspatz“ leitet sich hiervon ab. Wobei es, je nach Literatur, auch anderen Rohrsängerarten zugeschrieben wird.
Nicht nur farblich, auch im Verhalten und im Nestbau ist der Teichrohrsänger perfekt an seinen Lebensraum aus mehr oder weniger senkrecht stehenden Feuchtgebietspflanzen angepasst. Mit langen Zehen und durch eine besondere Klammerhaltung, bei der ein Bein angewinkelt und auf Zugbelastung und ein Bein ausgestreckt und auf Druckbelastung gehalten wird, kann sich der Vogel an den schwankenden Strukturen perfekt aufrecht halten. Geschickt klettert er an den Stängeln auf und ab oder hüpft von einem Halm zum anderen. Das Nest ist ein tiefer Napf, der aus Pflanzenfasern gewebt und an mehreren Röhrichthalmen aufgehängt ist. Ein wahres Kunstwerk, das so konstruiert ist, dass auch bei starkem Wind keine Eier herausfallen. Im dichten Stängelgewirr ist das Nest zudem gut vor Feinden geschützt. Der Kuckuck jedoch, für den der Teichrohrsänger ein häufiger Wirtsvogel ist, hat eine besondere Taktik zum Auffinden der Nester: Sperberartig fliegt er flach über das Schilf und lockt so die Teichrohrsänger aus ihrer Deckung, die den vermeintlichen Greifvogel lautstark abwehren wollen.
Doch auf diese Weise verraten sie ihren Neststandort, der vom Kuckucksweibchen im Nachhinein gezielt aufsucht wird. War es erfolgreich und fällt der Schwindel mit dem fremden Ei nicht auf, zieht das betroffene Teichrohrsängerpaar den artfremden Nestling mit aller Hingabe auf und hat reichlich Mühe, den deutlich größeren Jungvogel satt zu bekommen.
Zum Schluss noch ein Vorschlag für eine, zugegebenermaßen etwas unkonventionelle, Konfliktlösung: Wenn Sie das nächste Mal mit jemandem schimpfen müssen, tun sie es doch einfach mal auf Rohrspatz-Art, so wie Klaus Philipp in seinem Buch „Vogelstimmen nach Volksmundversen benannt“ den Teichrohrsängergesang beschrieben hat: Zick, zick, zick, zerr, zerr, zerr, schripp, schripp schripp, wuit, wuit, wuit, tiri, tiri, tiri, rick, rick, rick, kiet, kiet, kiet, karr, karr, karr, trett, trett, trett – schön laut, und immer wieder von vorne. Vermutlich werden beide Seiten in Gelächter ausbrechen und der Streit kann vielleicht leichter gelöst werden. Und beim nächsten Spaziergang werden Sie einen singenden Teichrohrsänger im Schilf sicherlich sofort wiedererkennen. Viel Erfolg!
