Gespräche mit Zeitzeugen

Eintürnen – Ortsvorsteher Berthold Leupolz, der selbst Anfang der 1990er-Jahre einmal Vorstand der Landjugend Eintürnen gewesen war, hatte in den Annalen des Vereins geforscht und nahm die Gäste und Vorstand Felix Maucher und seine Mitstreiter beim Frühschoppen auf eine interessante Zeitreise über die 80 Jahre Vereinsgeschehen mit.

Ortsvorsteher Berthold Leupolz, einst selbst Landjugendvorstand, im Gespräch mit Felix Maucher, der zusammen mit Simon Traub die heutige Landjugend führt.

Das aktuelle Führungsduo: Simon Traub (links) und Felix Maucher.
Die erste Landjugendgruppe wurde demnach vom damaligen Ortspfarrer Fritzenschaft 1946 gegründet (Ende 1945 wurden dazu die ersten Gespräche geführt). Er scharte die jungen Menschen um sich, um sie in dieser schweren Zeit wieder zum Leben zu animieren und um den Gemeinsinn zu fördern. Diese Gruppe firmierte unter dem Namen KLJB Katholische Landjugend-Bewegung. Leupolz freute sich in diesem Zusammenhang darüber, dass die beiden über der Bühne angebrachten Fahnen aus dieser Zeit noch existieren und von der Landjugend in Ehren gehalten werden. Denn diese stammen ja noch aus der Zeit, als es das Bundesland Baden-Württemberg noch gar nicht gab. Allerdings ruhten die Gruppenaktivitäten nach dem Weggang von Pfarrer Fritzenschaft einige Zeit.
Beim 50-jährigen Jubiläumsfest 1996 erinnerte sich ein Mitglied der damaligen Gründungsgruppe an die Neugründung der Eintürner Landjugend am 6. April 1952, die weder der KLJB noch dem Bauernverband zugeordnet war. Im November 1954 trat man – weil die Bauernschule Waldsee in vielen Bereichen kräftig unterstützt hatte – der berufsständigen Landjugendorganisation BDL in Waldsee bei (BDL = Bund der Landjugend, die Nachwuchsorganisation des Bauernverbandes).
Wo man sich traf
Einen festen Gruppenraum gab es damals noch nicht, die Treffen fanden in Buchbinders Saal, im ehemaligen HJ-Heim in der Schule oder im Kindergartensaal, wo die beiden Ordensschwestern – weil Mädchenmangel herrschte – bei den Volkstänzen öfters einspringen mussten. Sehr zum Missfallen vom damaligen Pfarrer Jauch, der sich aber brummend in sein Schicksal ergab.
Volkstänze waren eine der vielfältigen Aktivitäten der Gruppe, die unter fachkundiger Anleitung auch anspruchsvolle Tänze einstudierten. Weitere Aktivitäten waren Vorträge, Seminare über Heimatkunde, auch Benimmkurse oder Vorträge über Partnerschaft und Freundschaft. Darüberhinaus wurde bereits im Wiedergründungsjahr (1952) eine Traktorweihe mit Schönheitswettbewerb durchgeführt, im Jahr darauf beteiligte sich die Gruppe mit einem Festwagen am Erntedankfest in Wangen, mit dem sie einen zweiten Platz beim Wettbewerb erreichten.
Über Dorfabende, Erntedankfeiern mit Gesangs-, Volkstanz- und Theateraufführungen kam die Gruppe zu kleinen Einkünften, die in Referenten, Seminare und Saalmieten investiert wurde, aber auch kleine Ausflüge etwa in die Bärenhöhle oder in die Steiermark waren drin, wo man sich mit den örtlichen Landjugendgruppen austauschte.
Die erste Tracht
Nachdem die Eintürner über die Gemeindegrenzen hinaus Aufmerksamkeit erregten und vom Bauernverband einen Zuschuss erhalten hatten, wurde von einem der weiblichen Mitglieder ein Webkurs „angekurbelt“ und die Mädchen woben und schneiderten ihre ersten Trachten selbst. Dr. Alfred Weitnauer aus Kempten entwarf für die männlichen Mitglieder eine spezielle Eintürner Tracht. Solchermaßen ausgestattet gaben sie bei ihren gemeinschaftlichen Auftritten mit ihren Tänzen etwa beim Württembergischen Landjugendtag in Nagold oder bei den Jahreshauptversammlungen und Bauerntagen in Wangen und Leutkirch eine gute Figur ab.
Das Waldseer Liederbuch
Kurt Kistner (Jahrgang 1939) war beim Zeitzeugentreffen sicherlich das älteste ehemalige Mitglied der Landjugend Eintürnen. Auch 60 Jahre nach seinem Wegzug ließ er es sich nicht nehmen, beim Jubiläum dabei zu sein und war von den Jüngeren (ab 50 Jahren) ein vielgesuchter Ansprechpartner. Er hat ab Anfang der 60er-Jahre zeitweise im Vorstand der Landjugend „mitgemischt“. Kistner kann recht genau sagen, ab wann es mit der Landjugend Eintürnen Ende der 50er-Jahre wieder aufwärts ging: Mit dem Erscheinen des Waldseer Liederbuches. Damit wurde das Singen von Volksliedern wieder populär und weil dann auch noch eine musikalische Begleitung dazu kam (er selbst spielte Akkordeon und noch heute im Kreisseniorenorchester des Blasmusikkreisverbandes Flügelhorn) fiel das Singen noch leichter.
Landjugendbälle und Wettpflügen
Weitere Aktivitäten waren zu dieser Zeit Vorträge von Referenten der Bauernschule über aktuelle Themen. Aber auch der Spaß kam bei den Landjugendbällen nicht zu kurz. Kistner erinnert sich noch gut an einen Ausflug nach München inklusive einer Schifffahrt auf dem Ammersee. Oder die Beteiligung 1960 am bayerischen Landjugendtag in Lindau, wo auf dem Bodensee ebenfalls eine Seefahrt stattfand. Aber auch – noch vor dem Mauerbau (1961) – an einen Besuch auf der Grünen Woche in Berlin, samt einem Besuch im Ostsektor. Aber er konnte sich auch noch an einen Besuch in Wien erinnern, wo damals die Weltmeisterschaft im Wettpflügen stattfand. Oder der Ausflug ins Elsaß mit dem nicht zustandegekommenen Treffen mit einer dortigen Gruppe, weil der Gegenpart einfach nicht auffindbar war. Wichtig war unter den damals etwa 30 Mitgliedern der Zusammenhalt. Und natürlich – insbesondere natürlich ihm selbst als Musiker – dass auf allen Ausflügen fleißig musiziert wurde.

Blld aus der Frühzeit.
Alexandra Schwarz geborene Allgaier übernahm Mitte der 1990er-Jahre gemeinsam mit Frank Binzer die Vorstandschaft von Berthold Leupolz, der damals zum Vorstand des Liederkranzes gewählt worden war und festgestellt hatte, dass beides zusammen nicht zu schaffen war. Alexandra hatte ein besonderes Bonmot parat: Ihre lieben Freunde von der Landjugend hatten, als sie sich gemeinsam mit Berthold Leupolz auf dem Stamm des Maibaumes zum Ausruhen niedergelassen hatte, die beiden mit einem großen Zimmermannsnagel an selbigen „festgenagelt“. Natürlich – weil ja immer am Sonntagmorgen nach der Messe der Baum gestellt wurde – im schönsten Sonntagsstaat …
In ihre Amtszeit fiel auch die Wiedereinführung des Funkenabbrennens. Da hatte Christine Böhler (geborene Riether) eine ganz besondere Geschichte parat. Beim ersten Mal hatte es noch nichts zum Essen gegeben, also kaufte Christine R. für den zweiten Funken Gulaschsuppe in der Dose ein. Doch da sie keinen Anhaltspunkt für die erforderliche Menge hatte, gab es danach mehrere Jahre – Gulaschsuppe.

Dem Aufruf nach Bildern oder alten T-Shirts aus ihrer aktiven Zeit waren viele gefolgt und so war im Foyer der Halle eine stattliche Galerie zu bewundern, die dann auch fast die ganze Zeit umlagert war. Jeder brachte sein Wissen mit ein, wer denn da auf den Bildern zu sehen war. Und so lichtete sich rasch so manches Rätsel.



Heutiges Let´s-Fetz-Shirt mit Unterschriften der aktuellen Mitglieder.
Text und Fotos: Uli Gresser
Weitere Bilder in der Galerie