Die mühsame Werbung um Ärzte
Bad Wurzach – Die Gesundheitsversorgung stellt die Kommunen in der Region zunehmend vor immer größere Herausforderungen, nachdem mit Bad Waldsee das letzte kleine Krankenhaus geschlossen worden war. Vor allem die Nachbesetzung von Hausarzt-, aber auch von Facharztpraxen wird immer schwieriger. In der Gemeinderatssitzung am 7. April wurde eine Zwischenbilanz zum Bemühen der Stadt, Ärzte nach Bad Wurzach zu locken, gezogen. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Rückblick: In seiner Sitzung am 27. Februar 2023 hatte der Gemeinderat Grünes Licht gegeben für die Beauftragung der Agentur Kodiak Markenkommunikation aus Leutkirch in Kooperation mit der Agentur Fischer& Rauch Kompetenz im Gesundheitswesen (Kempten), ein Konzept für das Projekt „Ärzte-Recruiting“ auszuarbeiten, das am 27. November 2023 dem Gemeinderat vorgestellt wurde.
Bürgermeisterin Alexandra Scherer erläuterte zunächst den aktuellen Stand in Sachen Hausärzte in Bad Wurzach. Zum Halbjahresende wird ein niedergelassener Arzt seine Praxis aufgrund der Budgetierung seitens der Kassen schließen, ein anderer wird altershalber im nächsten Jahr schließen. Die Bürger der Stadt machen sich große Sorgen, weil viele schon jetzt Schwierigkeiten hätten, einen Hausarzt zu finden. Und diese Sorgen seien auch Sorgen der Stadt. Inzwischen werde die Befürchtung, dass die ärztliche Versorgung nicht mehr gesichert ist, immer mehr zur Realität.
Dr. Guntram Fischer von der Agentur Fischer& Rauch Kompetenz im Gesundheitswesen berichtete von den Ergebnissen der drei seit damals gefahrenen Marketingkampagnen. Diese waren zielgruppenorientiert in verschiedenen Social-Media-Kanälen gemacht worden.
Suchgebiet erweitert
Weil es bei den ersten beiden Kampagnen zwar zu zahlreichen Klicks, auch zu ersten Kontaktaufnahmen gekommen war, aber das Ergebnis bei Null blieb, wurde das Suchgebiet auch auf Österreich ausgeweitet. Was kein Problem darstellte, weil der österreichische Abschluss in Deutschland problemlos anerkannt wird.
Die Zahl der Link-Klicks auf die Page war bei der Kampagne vom 5.12.2024 bis 11.01.2025 in Österreich deutlich höher als in Deutschland. Die Klickzahlen waren hervorragend. Das heißt übersetzt: Es war großes Interesse vorhanden, aber das Entscheidende fehlte: Es gab (bisher) keine konkrete Kontaktaufnahme. Laut Bedarfsplanungs-Karte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) könnten Hausärzte sich problemlos auch bei uns ansiedeln. Sperrgebiete gibt es nur auf der Achse Ulm Münsingen, Tübingen und Offenbach sowie in und um Freiburg.
Der Versorgungsgrad laut KV liegt im Bereich Leutkirch, zu dem Bad Wurzach zählt, bei 102,6 %, in Bad Waldsee beispielsweise bei 89,7%; aktuell wären hier 3 Niederlassungen möglich (Bad Waldsee: 4,5). Im Vergleich dazu: In Sigmaringen wären es sogar 8,5.
Als Maßnahmen empfiehlt die Agentur von Fischer Famulaturen, also Praktika in den Praxen anzubieten, was von der KV hoch subventioniert wird. Und Weiterbildungsermächtigungen, um Weiterbildungs-Assistentinnen mit finanzieller Unterstützung durch die KV aufzunehmen. Aktive Kooperation mit den Klinikbetreibern der Region. Bei Fachärzten etwa an Kliniken für den Quereinstieg zu werben, sich als Allgemeinmediziner niederzulassen.
Bürgermeisterin Scherer sieht das Problem auf politischer Ebene. Denn als Ansprechpartner stünde sie, Martin Tapper und Dr. Fischer zur Verfügung. Dieser erläuterte, dass die Unverbindlichkeit zunehme. Denn in der Tat hätten Gespräche stattgefunden. Es gab sogar schon eine Führung durch eine Praxis und durch die Stadt. Es gab halt noch keine Vermittlung.
Petra Greiner (CDU) fragte an, wie man an die Förderprogramme komme. Dr. Fischer wies auf verschiedene Programme hin: Beim Landärzteprogramm würde auch die Stadt ihren Teil beitragen. Praxisnachfolgen könnten über eine Kooperation mit LeuMed eG Leutkirch, GoMedicus (Hamburg), Medi-Praxenverbund Stuttgart oder Doktor.de Berlin geregelt und unterstützt werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Gründung eines kommunalen MVZ. Aber auch die Förderung einer Eigeneinrichtung der KV BW wäre eine Möglichkeit.
Marga Loritz (CDU) sieht in der wiedereingeführten Budgetierung ein großes Problem. Dies bestätigte ihr der als fachkompetenter Zuhörer anwesende Dr. Heyse, dem die Bürgermeisterin das Wort erteilte. Dieser schilderte, dass es nicht nur um die Budgetierung bestimmter Leistungen gehe, was 2024 rückwirkend für 2023 bis Ende 2025 eingeführt worden war. Die aktuell geltende Gebührenordnung, in der viele andere Bereiche budgetiert sind, die dies auch weiterhin bleiben werden, datiere aus dem Jahre 1996. Dies bedeute fehlende Wertschätzung der Arbeit der Ärzte und das sei „ein politisches Ding.“ Die Auseinandersetzung damit sei für Berufsanfänger Neuland.
Ernestina Frick (FW) sagte: „Der Rahmen stimmt nicht, es braucht hier eine politische Veränderung.“ Die Kommunen, also der Landkreis und die Bürgermeister/innen müssten den Landtagsabgeordneten und den Bundestagsabgeordneten Druck machen, damit sich die KV bewegt. Denn die üblichen Förderprogramme funktionierten nicht. Und: Die jungen Ärzte würden von den Erfahrungen und dem Know-How der erfahrenen Ärzte profitieren, sofern diese Gelegenheit hätten, dies weiterzugeben. Von Abgeordneten überhaupt keine Antwort zu erhalten „geht gar nicht!“ Denn das Problem sei eine sehr große Sorge in der Bevölkerung.
Dr. Fischer sieht ein Problem in den administrativen Aufgaben: Ein privatwirtschaftliches Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) habe die Möglichkeit, solche Aufgaben auszulagern. Einer Einzelpraxis fehle diese Möglichkeit. Daher wären entsprechende Strukturen erforderlich.
Bürgermeisterin Scherer sagte: „Wir werden weiter Gespräche führen.“ Denn wenn in Berlin Gesetze gemacht werden, betrifft das auch Bad Wurzach.
Uli Gresser
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