Abschied von ambitionierter Klimapolitik?
Zur Gemeinderatsentscheidung über den Ausstieg der Stadt Bad Waldsee aus dem European Energy Award (DBSZ vom 2. Juni; im Artikel “Das Wohnbauprojekt in der Frauenbergstraße/Friedhofstraße: 30 Einheiten” enthalten)
Der vom Gemeinderat mehrheitlich beschlossene Ausstieg der Stadt Bad Waldsee aus dem European Energy Award (EEA) wirft Fragen auf:
Die Hauptbegründung erstaunt: OB Henne und Bürgermeisterin Ludy: “Wir fühlen uns im EEA einfach nicht mehr aufgehoben“ (SZ online, 4.6.2025) und der damit verbundene Personal-Aufwand in der Verwaltung sei zu hoch.
Vermutlich fragen nicht nur wir uns, ob es der Stadtspitze nicht klar ist, dass klimapolitische Maßnahmen mit dem Ziel, den Co2-Ausstoß signifikant zu verringern, keine Aufgaben sind, die „nebenbei“ erledigt werden können. Schließlich handelt es sich dabei um die größte Zukunftsaufgabe unserer Zeit, das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, die Europäische Union mit dem Green Deal und die Bundesregierung mit ihrem Klimaschutzgesetz beschlossen. Es handelt sich nicht um ein „Steckenpferd der Grünen“, auch wenn das häufig so dargestellt wird.
Es gilt Ziele in den unterschiedlichen Bereichen zu formulieren, wie zum Beispiel Energiegewinnung und -verbrauch, Wärmegewinnung, Bauen, Mobilität, Stadtplanung und Klimaanpassung. Mit dem Klimaleitbild und dem Energie- und klimapolitischen Arbeitsprogramm hat die Stadt dies getan. Die kontinuierliche Umsetzung der Maßnahmen bedeutet einen hohen Fachbereich-übergreifenden Aufwand.
Der EEA ist ein Instrument, das Kommunen dabei unterstützt, Ziele zu definieren, Maßnahmen zu entwickeln und zu überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden oder nicht. Die Kriterien, die der EEA zugrundelegt, können daher nicht auf dem Status Quo von vor 17 Jahren stehen bleiben, sondern müssen fortgeschrieben werden. Die Stadtspitze sieht das als „Verschärfung“ und verlässt den EEA, auch weil die höchste Stufe bei der nächsten Zertifizierung nicht mehr erreicht wird. Und das ist der eigentliche kritische Punkt: Es sieht so aus, als ob man sich in Bad Waldsee von ambitionierter Klimapolitik verabschiedet, weil der Aufwand zu groß erscheint: schnellerer Ausbau von PV mit Berücksichtigung innovativer Agri-PV Anlagen, ambitionierte Verbesserungen für den Radverkehr, Pfad für die Abkehr vom Erdgas in der Nahwärmeversorgung, Aussetzen des Klimabudget, wie in der gleichen Gemeinderatssitzung beschlossen u.a.
Der Beitritt der Stadt in das Programm der Energieagentur „Zukunftskommune Oberschwaben“ ist berechtigt und zu begrüßen – allerdings nicht alternativlos, wie wir finden. EEA und „Zukunftskommune Oberschwaben“ ergänzen sich vermutlich. Aber so genau weiß das niemand bzw. wurde den Gemeinderäten im Zuge des Gemeinderatsbeschlusses das Programm „Zukunftskommune Oberschwaben“ nicht vorgestellt, im Gegenteil: Eine Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit im Vorfeld der GR-Sitzung wurde mangels Tagesordnungspunkte abgesagt.
An dieser Stelle möchten wir die Gemeinderäte an ihre Funktion als „Hauptorgan der Kommune“ erinnern: Sie dürfen wohlwollend und respektvoll darauf bestehen, dass Sie vollumfänglich informiert werden, um eine sinnvolle Entscheidung zum Wohle der Stadt und ihrer Bewohner und Bewohnerinnen (auch der künftigen) treffen zu können.
Lena Disch und Volker Jedelhauser, Grüner Ortsverband Bad Waldsee
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