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Buchbesprechung

“Multikulturell” auch im Tod



Vielfältig. In Leutkirch leben Leute, die aus 96 nationalen Herkünften stammen. Das kann auch Friedhöfe und Trauerfeiern beeinflussen. So zumindest steht’s im Buch mit Titel “Sie gehen – und sie bleiben doch. Multikulturelle Trauerkulturen in Deutschland”. Heute ist 1. November – “Allerheiligen”. Tag der Grab-Besuche. Bildschirmzeitung-Reporter Julian Aicher hat aus diesem aktuellen Anlass in besagtes Buch geschaut.

In Leutkirch leben Leute aus insgesamt 96 nationalen Herkünften. Spürbar auch an “Allerheiligen” – dem Tag der Grab-Besuche? Darauf deutet das Buch “Sie gehen und sie bleiben doch” über “Multikulturelle Trauerkulturen in Deutschland”. Foto: Julian Aicher

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“Es wäre hilfreich, wenn der Name draufstünde”. Vicco von Bülow – besser bekannt als “Loriot” – soll diesen Satz auf die Frage gesagt haben, was auf seinem Grabstein zu sehen sein solle. Klingt irgendwie selbstverständlich. Ist es aber nicht ganz. So verbietet eine Friedhofsordnung in Berlin, auf Grabsteinen digitale QR-Codes ab zu bilden. Dies ein Beispiel für eine “Überregulierung mit regionalen Besonderheiten”. So der Berliner Rechtsgelehrte Ulrich Keller im Buch “Sie gehen – und sie bleiben doch.”

Herausgegeben – und gründlich vorbereitet – haben den Band die Berliner Politiologin Dr. Gabriele Steckreiser und ihr Mann und Kollege Markus Kirschbaum. Sie veröffentlichten sowohl selbst theoretische Überlegungen in dem Buch als auch Beiträge anderer kluger Geister. Offenbar keine ganz leichte Aufgabe. Galt und gilt es doch, “jahrhundertealte Missverständnisse aufzuklären”. Also eine “Möglichkeit zum Abbau von Vorurteilen” zu nutzen. Mit diesem Ziel stießen Steckmeister und Kirschbaum allerdings nicht bei allen Angefragten auf Gegenliebe.

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Denn was auf den ersten Blick todsicher wirken mag, ist es in Wirklichkeit nicht. Die in Deutschland oft gepriesene  “freie Entfaltung der Persönlichkeit” findet spätestens auf Friedhöfen ihre Grenzen. So entdeckten Kirschbaum und Steckmeister in der Bundesrepublik einen “gesetzlichen Sargzwang.”

Im deutschsprachigen Raum wohl schon früher gültig. So hielt sich Joseph II. (1741 – 1790), von 1765 bis 1790 in Wien regierender Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation zwar an besagten “Sargzwang”, sprach sich aber wohl dafür aus, das untere Brett dieser Holz-Hülle so mit Scharnieren zu versehen, dass die Leiche darin über dem Grab in die Gruft fallen konnte. Ein Zwangs-Sarg, aber sparsam.

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Als noch sparsamer erweist sich da die noch heute gültige muslimische Trauerkultur. Der oder die Tote wird dort in “drei ungenähte und ungesäumte weiße Leinen- und Baumwolltücher eingewickelt”. Genannt “Kafan”. Liegt der Leichnam anschließend im Grab, werden die Tücher “wieder gelöst”. So schreibt’s der Dürener Palliativmediziner Dr. med. Muhammad Zouhair Safra Al-Halabi in Steckmeisters und Kirschbaums Buch.

Angesichts von Angehörigen aus 96 Nationen, die in Leutkirch leben, dürfte die Vielfalt von Trauer-Regeln inzwischen auch im württembergischen Allgäu zum Alltag gehören. Der 1. November gibt aktuell Anlass, daran zu denken.
Julian Aicher

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Transparenzhinweis: Bildschirmzeitung-Reporter Julian Aicher hat bei Dr. Gabriele Steckmeister in Tübingen Politikwissenschaft studiert und besucht seine frühere Universitätslehrerin und ihren Mann Markus Kirschbaum gelegentlich in Berlin. In umgekehrter Richtung haben Steckmeister und Kirschbaum mehrfach das schwäbische Oberland bereist.




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