Man kann der Organspende absolut vertrauen
Zum Leserbrief „Höheres Risiko für Fehldiagnosen“ (DBSZ vom 24. Oktober)
Aktuell macht vielen Menschen, auch Patientenschützern, die von der FDP ins Gespräch gebrachte „Herztodspende“ – in Fachkreisen „Donation after cardiac death” (DCD) genannt – große Sorgen. Auch wenn es so noch nicht ausgesprochen wurde, besteht die Sorge, dass der Patient bei Herzstillstand nicht mehr reanimiert, sondern sogleich Organspender wird.
Diese Vorstellung ist aber falsch. Auch weiterhin wird jeder Mensch mit Herzstillstand reanimiert, ob innerhalb oder außerhalb der Klinik. Hiervon sieht man nur ab, wenn der Patient vorher keine Reanimation wünschte.
DCD findet nur dann Anwendung, wenn von ärztlicher Seite eine Weiterbehandlung als sinnlos erachtet wird oder der Patient vorher keine Reanimation bzw. keine Weiterbehandlung wünschte.
Die Fristen des Herzstillstandes für DCD sind je nach Nation unterschiedlich. So müssen sie in Großbritannien, Spanien und der Schweiz mindestens 5 Minuten betragen, in Frankreich und Österreich mindestens 10 Minuten und in Italien mindestens 20 Minuten. Nach 20 Minuten Herzstillstand liegt sicherlich Hirntod vor. Nach 10 Minuten Herzstillstand liegt meist Hirntod vor. Nach 5 Minuten Herzstillstand liegt oft Hirntod vor. Dieses Zeiten gelten bei einer Umgebungs-Temperatur von ca. 20°C.
Aus diesem Grund war auch ich zunächst gegen DCD. Doch ich ließ mich von Swisstransplant aufklären, wie DCD in der Schweiz praktiziert wird: Nach mindestens 5 Minuten Herzstillstand wird eine etwas verkürzte Hirntoddiagnostik durchgeführt, um die Sicherheit zu haben, dass wirklich Hirntod vorliegt. Eine solche verkürzte Hirntoddiagnostik wird auch in Österreich nach mindestens 10 Minuten Herzstillstand für DCD durchgeführt. Somit ist die Sorge unbegründet, dass man bei DCD noch nicht tot sei.
Es ist richtig, dass bei Hirntoten das Herz noch schlägt. Daher ist ihr Körper warm. Sie verdauen noch, ihre Wunden können heilen und bestehende Schwangerschaften fortgesetzt werden. Doch wenn der Hirntod festgestellt wird, sind Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm irreversibel (unumkehrbar) ausgefallen. Behandelt man Hirntote noch 3 bis 5 Tage weiter, so ist festzustellen, dass sich ihr Gehirn aufgelöst (Autolyse) hat. Was Hirntote somit für ihre „Heilung” bräuchten, wäre ein neues Gehirn. Wenn die Medizin dazu in der Lage wäre, aus einer Körperzelle des Hirntoten ein neues Gehirn zu züchten und funktionsfähig einzusetzen, würde aus dieser Operation ein Mensch aufwachen, der wie ein Neugeborenes nichts weiß. Dies liegt daran, dass in unseren Gehirnzellen all das gespeichert ist, was wir erlebt und erlernt haben. Mit dem Hirntod ist dieses Wissen und Können für immer verloren. Daher ist es sinnvoll, wenn man sagt, dass Hirntote Tote sind.
Dass Hirntote Tote sind, äußern auch sieben medizinische Fachgesellschaften (DGAI, DGIM, DGN, DGNC, DGNI, DIVI, DPG) – die allesamt nichts mit Organspenden zu tun haben, wohl aber mit der Behandlung von hirnverletzten Patienten – in ihren gemeinsamen Erklärungen. Die Deutsche Bischofskonferenz sagt es in den Schriften von 1990 und 2015, ebenso die Päpstliche Akademie der Wissenschaften in ihren Schriften der Jahre 1985, 1989, 2006 und 2012.
Fazit: Mit dem vollständigen und korrekten Wissen kann man in Deutschland, Österreich und der Schweiz der Organspende vollkommen vertrauen.
P. Klaus Schäfer SAC, Regensburg
Pallottinerpater Klaus Schäfer arbeitet als Klinikseelsorger an der Uni-Klinik in Regensburg
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