Landrat Harald Sievers radelte zu den „Gras-Rindern vom Bodensee“
Kreis Ravensburg – Am 5. August besuchte Landrat Harald Sievers im Rahmen seiner Sommerradtour durch den Landkreis den Biolandhof Sigg in Wangen-Leupolz, um sich über das Projekt „GrasRind vom Bodensee“ zu informieren. Das Projekt, das von den Bio-Musterregionen Bodensee und Ravensburg ins Leben gerufen wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, regionale Absatzwege für Kälber aus der Bio-Milchviehhaltung zu schaffen und deren oft lange Transporte nach Norddeutschland oder ins Ausland zu vermeiden.
Jährlich verlassen rund 40.000 Kälber Baden-Württemberg, um anderswo gemästet zu werden, während gleichzeitig Fleisch aus Argentinien importiert wird. „Man fährt´s um den ganzen Globus, anstatt die Wertschöpfung hier in der Region zu belassen.“, kritisiert Jakob Sigg, Betriebsleiter des Biolandhofs Sigg, die aktuelle Situation. Bei der Führung über seinen Hof zeigt er den Besuchern seine drei Kälber, die er momentan als GrasRinder gute vierzehn Wochen auf dem Betrieb hält, anstatt sie – wie weit verbreitet – nach vier Wochen zu verkaufen.
Bis sie in einem Restaurant oder einer Kantine auf dem Teller zum kulinarischen Genuss werden vergehen noch mindestens zwei Jahre. Denn, da die Vermarktung von Kalbfleisch besonders im Bio-Segment schwierig ist, werden die Kälber im GrasRind-Projekt regional aufgezogen, auf der Weide gemästet und erst im Alter von zwei bis drei Jahren geschlachtet. Um eine hervorragende Fleischqualität zu erzielen, werden ausschließlich Färsen und Ochsen gemästet. Die Tiere erhalten hauptsächlich Grasprodukte wie Heu, Silage und frisches Gras. „Wir möchten, dass die Wiederkäuer wieder wie Wiederkäuer gefüttert werden und somit nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen stehen“, so Matthias Minister, Geschäftsführer der Fairfleisch GmbH in Überlingen und Vorstandvorsitzender des Vereins GrasRind vom Bodensee e.V.
GrasRind-Produzenten verpflichten sich zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Dies umfasst u.a. den Erhalt des Grünlands und damit unserer hiesigen Kulturlandschaft, den Humuserhalt, eine effiziente und ressourcenschonende Produktion sowie die Einhaltung strikter Fütterungskonzepte. Die Tiere werden mindestens nach den EU-Bio-Richtlinien gehalten, mit mindestens 80% Grasprodukten gefüttert und kommen vorrangig aus der Milchviehhaltung.
Nach möglichst kurzen Transportwegen werden die Tiere im regionalen Metzgerschlachthof in Überlingen geschlachtet und handwerklich verarbeitet. Das Fleisch wird überwiegend an Großküchen wie Kantinen und Mensen sowie über die Gastronomie als Alternative zu im Ausland erzeugtem Rindfleisch vermarktet. Jürgen Miller, Bereichsleiter für Verpflegung und Catering im KBZO in Weingarten, bezieht das Rindfleisch für seine Küche, die täglich rund 1.300 Essen produziert, zu 100 Prozent vom GrasRind. „Ich kann das mittlerweile alles über die Metzgerei Buchmann bestellen und bekomme darüber auch die Lieferung, das funktioniert super“, berichtet er. Die Metzgerei Buchmann ist ebenfalls Projektpartner vom GrasRind und vertreibt das Fleisch ebenso an Großküchen und Gastronomiebetriebe.
Aktuell schlachtet das GrasRind-Projekt drei Tiere pro Woche, was 600 kg Fleisch oder 4.000 Mahlzeiten entspricht. Die größte Herausforderung bleibt die Vermarktung. Um mehr Kälber in der Region aufziehen zu können, werden weitere Großküchen und Gastronomiebetriebe benötigt, die bereit sind, ihr Rindfleisch vom GrasRind zu beziehen. Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung ergänzen sich hierbei perfekt: Während die Gastronomie eher an den Edelteilen interessiert ist, besteht in der Gemeinschaftsverpflegung ein größerer Bedarf an Hackfleisch, Gulasch und ähnlichen Produkten.
Leuchtturm für zukunftsfähige Landwirtschaft
Landrat Harald Sievers zeigte sich nach dem Gespräch mit den Projektbeteiligten und der Führung über den Biolandhof Sigg begeistert vom Projekt. „Solch ein Projekt, bei dem es gelingt, einen Wertschöpfungskreislauf aufzubauen, ist ein Leuchtturm für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die regionale Wirtschaft und Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Wenn dieses Projekt langfristig in der Region gelingt, dann hat sich die Bio-Musterregion gelohnt.“