Geschichte von unten, Geschichten von hier

Wolfegg – Vor Kurzem wurde die Ausstellung „1525 – Bauernkrieg in Oberschwaben“ im Bauernhausmuseum in Wolfegg eröffnet. Die Eingrenzung des Themas auf regionale und personale Aspekte ist der gewinnende Ansatz der empfehlenswerten Ausstellung. Diese Intention stellten alle Redner bei der Eröffnung heraus, die in der Zehntscheuer aus Gessenried stattfand, einem Fruchtkasten des Klosters Weißenau, der anno 1525 schon gestanden hat; ein Bauwerk also, das Zeuge der dramatischen Ereignisse vor 500 Jahren war. Die Bildschirmzeitung befasst sich mit der Ausstellung zweifach: Hier mit dem Bericht über die Eröffnungsfeierlichkeit und in einem zweiten Artikel mit der Darstellung der Ausstellung selbst.

Das Scherer-Quartett aus Ulm brachte Lieder aus der Zeit des Bauernkrieges zu Gehör.
„Die pauren wollten lernen von Schwitzern böse Stück und auch selber herren werden. Das war ir ungelück.“ In dieser zeitgenössischen Liedzeile des Jörg Wetzel aus Schussenried scheint Hoffnung und Scheitern der Bauern auf, all jener, die in der feudalistisch aufgebauten Gesellschaft der frühen Neuzeit unten standen, arm waren, weitgehend rechtlos. Sie wollten lernen von den Schweizern, von den Eidgenossen, die ihr Joch abgeschüttelt hatten. Was an der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert am Vierwaldstättersee gelang, endete 1525 in Oberschwaben in einem Blutbad.
„Die pauren wollten lernen von Schwitzern böse Stück und auch selber herren werden. Das war ir ungelück.“ Diese Zeile und einiges mehr – so ein geistliches Lied von Martin Luther aus den Jahren 1523/24 und ein Herzog Ulrich zugeschriebenes Jagdlied von 1510/1519 – wurden a cappella dargeboten vom Scherer-Ensemble, einem Quartett aus Ulm. Die vier Männer sorgten für den adäquaten musikalischen Rahmen der Eröffnung, bei der Dr. Maximilian Eiden, der Leiter der Kulturhäuser des Kreises Ravensburg, Dr. Tanja Kreutzer, die Leiterin des Bauernhausmuseums in Wolfegg, Andrea Schreck, die Kuratorin der Wolfegger Bauernkriegsausstellung, und Anja Kahle, Kulturdezernentin das Landkreises, sprachen.

Man versuche in Wolfegg in einem Gebäude, das den Geist jener Zeit atmet, das als Zehntscheuer steingewordenes Symbol der feudalistisch verfassten Gesellschaft ist, die Geschichte aus der Perspektive der Bauern zu erzählen, sagte Dr. Eiden (Bild). Allerdings sei die bäuerliche Perspektive schlecht dokumentiert, es gebe wenig Schriftliches zur „Graswurzel-Perspektive“. Ein Glanzstück sind die „Kißlegger Artikel“, achtzehn an der Zahl, die zwar im Schatten der berühmten Memminger „Zwölf Artikel“ stünden, aber kein minder markantes Zeugnis jener Zeit seien.
Die Hörgeschichten
Eine Stärke der Ausstellung sind die Hör-Geschichten, an Fakten orientierte fiktive Dialoge, Proklamationen und andere mündliche Verlautbarungen, eingesprochen von hiesigen Leuten, die der oberschwäbischen Mundart mächtig sind – wie Gerold Heinzelmann aus Wolfegg, der den Hans Schwitzer von Merazhofen gibt. Maximilian Eiden selbst leiht keinem Geringeren als Truchseß Georg von Waldburg, dem „Bauernjörg“, seine Stimme.
Für den Graswurzelansatz, der gerade bei den Hörgeschichten deutlich wird, würdigte er Kuratorin Andrea Schreck ganz besonders; sie habe die Ausstellung mit den Augen einer Volkskundlerin konzipiert.
Eiden schloss seine Ausführungen mit dem Wort: „Fragen von Gerechtigkeit und Freiheit sind heute so aktuell wie damals.“
Florian Greisel, Hans Schwitzer, Michel Heus

Auch Museumsleiterin Dr. Tanja Kreutzer (Bild) stellte den Regionalbezug der Wolfegger Ausstellung heraus. 90 Prozent der damaligen Bevölkerung hätten zum Bauernstand und damit zur sozialen Unterschicht gehört. Jetzt, 500 Jahre später, sei jene Scheuer aus Gessenried, in der einst die bäuerlichen Naturalabgaben gelagert waren, „in republikanischer Hand“. Das Anliegen der Wolfegger Ausstellung, die mutige Männer wie den Priester Florian Greisel aus Aichstetten, Hans Schwitzer aus Merazhofen oder Michel Heus von Haselburg in den Fokus nimmt, die sich mit der Schlacht am Wurzacher Leprosenberg befasst, lasse sich generalisieren; letztlich sei es damals um universelle Fragen gegangen, um die Freiheit des Christenmenschen, nicht nur um Befreiung von einigen Lasten.
Die Museumsleiterin dankte Mit- und Zuarbeitern wie dem Bad Waldsee-Bad Wurzacher Archivar Michael Tassilo Wild, der mit einer Bauernwehr ein ganz besonderes Stück in die Ausstellung als Leihgabe einbrachte. Die Waffe stammt aus dem Bad Waldseer Stadtsee. Wer weiß, vielleicht hat sie ein flüchtender Bauernkrieger dort entsorgt. Weiter dankte sie Dr. Bernd Mayer, langjähriger Archivar und Hüter der Sammlungen des Wolfegger Fürsten, der kurz vor seiner Pensionierung noch so manche Türe geöffnet habe. Ein ganz besonderer Dank galt dem Kißlegger Pfarr- und Gemeindearchivar Thomas Weiland; er hatte in mühsamer Kleinarbeit eine Synopse sämtlicher Drucke der „Kißlegger Artikel“ zusammengestellt. Ferner dankte Tanja Kreutzer den Sprechern der Hör-Geschichten und „Dir, liebe Andrea“ (Schreck) für die große Empathie, mit der die Audio-Stücke ins Werk gesetzt worden seien. „Ihr habt den Menschen von damals eine Stimme gegeben.“
Achberg und Wolfegg Hand in Hand
Dr. Kreutzer verwies zudem auf das vielfältige Rahmenprogramm, auf museumspädagogische Angebote, auch auf das Gastspiel des Theaters Lindenhof, das am 21. Juni das Stück „Aufstand des gemeinen Mannes“ aus der Feder von Franz Xaver Ott gibt. Ein besonderes Angebot sei ein gekoppeltes Gedenken an den zwei Kreiskultur-Orten Wolfegg und Achberg mit Shuttleservice am 24. Mai und am 21. Juni.
Das Feudalsystem noch einmal für 300 Jahre zementiert

Andrea Schreck (Bild), die Kuratorin der Ausstellung, ordnete das regionale Geschehen ins große Ganze ein, nannte vorangegangene Erhebungen wie die des Bundschuhs, bezifferte die Zahl der Aufständischen mit 100.000, die Zahl der Toten mit 70.000, weitete den Blick auf das Sympathisieren und Kollaborieren von Bürgern und Klerikern. Allerdings sei die Quellenlage für eine Sicht von unten, aus dem Blickwinkel des gemeinen, des kleinen Mannes, „vage“. Auch gebe es so gut wie keine Spuren, die die Teilnahme von Frauen an der Erhebung nachweisen. Die breite Unterstützung der Kämpfer durch die weibliche Hälfte der Bevölkerung sei freilich naheliegend. Wie die alte Ordnung mit Gewalt aufrechterhalten wurde, schilderte sie am Beispiel des Jörg Schmid aus Leubas bei Kempten, des Anführers der Allgäuer Bauern, der auf der Flucht in Vorarlberg gefangen genommen wurde, dem unter Folter ein Geständnis abgepresst wurde und der im Januar 1526 in Lochau (bei Bregenz) an einer Eiche erhängt wurde. Die Niederschlagung des Aufstandes, manche Historiker sähen in der Erhebung eine Revolution, habe das Feudalsystem noch einmal für 300 Jahre zementiert.
Ein Anliegen: Inklusion

Anja Kahle (Bild), die Kulturdezernentin des Landkreises, eröffnete die Ausstellung mit herzlichem Dank an alle Mitwirkenden. Es war ihr ein Anliegen, die Inklusionsbemühungen der für die Kulturhäuser des Landkreises Verantwortlichen zu würdigen. Soweit das in historischen Gebäuden möglich sei, versuche man, Teilhabe zu ermöglichen.
Bis November 2026
Die Ausstellung „1525 – Bauernkrieg in Oberschwaben“ ist im Bauernhausmuseum im Obergeschoss der Zehntscheuer bis November 2026 zu sehen. Herbert Eichhorn, der Kulturmitarbeiter der Bildschirmzeitung, geht in einem zweiten Artikel en detail auf die Ausstellung ein.
Text und Fotos: Gerhard Reischmann