Erhebliche Defizite im ÖPNV der Region
Zur Verkehrssituation in Oberschwaben
Die öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland bieten leider immer wieder Anlass zur Kritik. Als Pendler und regelmäßiger Nutzer des Verkehrsnetzes möchte ich auf die zahlreichen Missstände hinweisen, die für viele Fahrgäste zum täglichen Ärgernis geworden sind.
Der Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr – ein nobler Wunsch, um das Klima zu schützen und die Umwelt zu entlasten. Doch wer den Schritt wagt, könnte ein dickes Buch über die leidvollen Erfahrungen schreiben, die damit verbunden sind. Angefangen bei dürftigen Busverbindungen, zahlreichen Busse ohne QR-Code-Lesegeräte und unzureichenden Anzeigetafeln an Bushaltestellen bis hin zu defekten Aufzügen, zu kurzen Bahnsteigen und immer wiederkehrenden Verspätungen. Ganz zu schweigen von den teilweise nicht ausgereiften Fahrgast-Apps und den absolut unverständlichen Preisangaben. Es braucht wirklich einen eisernen Willen, um nicht zu kapitulieren – aber der Klimaschutz lässt uns keine andere Wahl.
Besonders herausfordernd wird es für Menschen, die – aus guten Gründen – ihr Auto abgeschafft haben und auf den ÖPNV angewiesen sind.
Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einem Teilort von Kißlegg. Viele Wege erledigen Sie mit dem Fahrrad – einem Bio-Fahrrad natürlich. Gelegentlich ist jedoch ein Termin auswärts wahrzunehmen. Mit dem Auto wären die 27 Kilometer nach Ravensburg in einer guten halben Stunde erledigt. Mit Bus und Zug dauert es jedoch locker über eine Stunde – und an Wochenenden oder abends geht gar nichts, denn dann fährt hier gar kein Bus.
Die bodo-App
Um sich zurechtzufinden, nutzt man die App des regionalen Nahverkehrs, bodo. Leider gibt es hier auch Probleme: Zwei verschiedene Apps (BODO und DEINBODO) kursieren im Playstore, doch keine von beiden funktioniert zuverlässig. Die Verbindung wird zwar angezeigt, doch oft heißt es daneben „nicht verfügbar“. Fahrkarten lassen sich nicht kaufen, und in manchen Fällen werden utopische Preise angezeigt, die alles andere als nachvollziehbar sind. Für die gleiche Strecke werden mal 7,95 €, mal 26,50 € oder sogar 49,00 € angezeigt – was einfach nicht stimmen kann. Der bodo-Netzplan sieht dafür eigentlich nur 4 Zonen vor, die mit 6,50 € abgerechnet werden müssten. Wie kann es sein, dass Fahrgäste mit solchen Missständen konfrontiert werden?
Umsteigebahnhof Aulendorf
Nach „Störungen im Betriebsablauf“ strandet man oft verspätet in Aulendorf: Der Anschlusszug ist weg. Die nächste Verbindung nach Kißlegg erst in einer Stunde – und soll dann laut App auch noch einen überhöhten Preis von 49 € für die kurze Strecke kosten. Ein solcher Zustand ist nicht nur ärgerlich, sondern auch völlig inakzeptabel.
Wie kann es sein, dass in einem so fortschrittlichen Land wie Deutschland der öffentliche Nahverkehr weiterhin von so vielen Mängeln geprägt ist? Wie soll man Fahrgästen und insbesondere Touristen, die eigentlich das Auto stehen lassen wollten, solche unzuverlässigen und überteuerten Angebote zumuten? Es ist höchste Zeit, dass die Verkehrswende nicht nur als abstraktes Ziel propagiert wird, sondern endlich auch in der Realität ankommt. Denn solange die Rahmenbedingungen für den Umstieg auf den ÖPNV so schlecht bleiben, wird der Klimaschutz ein frommer Wunsch bleiben – und nicht gelebte Praxis.
Bahnhof Kißlegg
Und auch wer körperlich fit ist und schnelle Beine hat, wird regelmäßig vor unüberwindbare Hürden gestellt. Die Bahnsteige sind zu niedrig und zu kurz, die Züge halten häufig hunderte Meter auseinander, was einen schnellen Umstieg unmöglich macht. Das Umsteigen selbst wird durch extrem kurze Zeiten und extrem steile 1 Meter hohe Eingangsstufen am Waggon zu einem zusätzlichen Hindernis – insbesondere für Reisende mit Gepäck, Rollatoren, Kinderwagen oder Fahrrad. Die lauten und stinkenden Dieselmotoren am Bahnsteig Kißlegg verderben Unzähligen die Reiselust. Zwei Jahre Umbauarbeit zur Elektrifizierung der Strecke haben nicht einmal zu einem befriedigenden Ergebnis geführt: Die Bahnsteige sind immer noch unzureichend, ein dringend benötigtes Gleis fehlt und die hoch ausgelastete Strecke Lindau – Memmingen bleibt eingleisig. Wirklich ein einziges Trauerspiel! Etwas Hoffnung bewirkt zumindest die Einsicht der DB und der kürzlich angekündigte Umbau der Bahnsteige in Kißlegg.
Ein weiteres Beispiel zeigt die mangelnde Information an der Bushaltestelle am Bahnhof in Kißlegg: Wer hier in die Richtung Immenried – Arnach – Bad Wurzach – Leutkirch fahren möchte, findet keine verlässliche Beschilderung. Zwar gibt es Busse, die diese Strecke bedienen, aber sie werden nicht beschildert.
Bushalt Bad Wurzach
An anderen Umsteigeplätzen wie Bad Wurzach wird zum Beispiel der Bus „R80“ über Bad Waldsee nach Ravensburg ebenfalls nicht korrekt angezeigt, was die Verwirrung noch weiter steigert.
Anstelle der tatsächlichen Fahrtziele findet sich hier nur der Abfahrtsort „Bad Wurzach“ am Schild, was schlichtweg wenig hilfreich ist.
All diese Probleme sind nicht nur ein Ärgernis für die Pendler, sondern sie machen den öffentlichen Nahverkehr zu einer echten Zumutung. Wenn die Verkehrswende wirklich ernst genommen werden soll, dann muss endlich gehandelt werden: mit zuverlässigen Fahrplänen, transparenten und fairen Preisen, einer funktionierenden Infrastruktur und einer digitalen Infrastruktur, die diesen Namen auch verdient. Solange der ÖPNV jedoch so unzuverlässig, undurchschaubar und unzugänglich bleibt, wird er keine echte Alternative zum Auto darstellen.
Peter Schön, Kißlegg-Immenried
Unser Leser hat seinen Ausführungen etliche Bilder beigegeben, die wir als Bestandteil des Leserbriefes veröffentlichen.
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