Die Endo-Exo-Methode sorgt bei vielen Amputierten für ein völlig neues Lebensgefühl
Ravensburg – Kazim Yildirim aus Bad Wurzach steht neben Prof. Dr. Jörn Zwingmann, dem Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am St. Elisabethen-Klinikum, und ist glücklich. Gemeinsam mit dem Mediziner wird der 45-jährige Orthopädietechniker künftig das anbieten, was ihm selbst das Leben rettete – zumindest aber einen großen Teil seiner Lebensqualität zurückbrachte: eine knochenverankerte Prothese. Prof. Zwingmann hat die sogenannte Endo-Exo-Operation in sein medizinisches Angebot aufgenommen, Yildirim, der 800 Meter weiter im Ravensburger Sanitätshaus Orthopädie Kühn arbeitet, wird sie künftig vertreiben, wird Unfallopfer wie ihn beraten und betreuen.
Vor 17 Jahren verlor Yildirim beim Zusammenprall seines Motorrads mit einem Traktor sein linkes Bein oberhalb des Knies. Einige Wochen lang wurde der damals 27-Jährige danach am St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg behandelt und erhielt später im Sanitätshaus eine konventionelle Schaftprothese, mit der er allerdings überhaupt nicht zurechtkam. „Mein Stumpf ist extrem kurz, ich bin mehr mit Krücken gelaufen als mit der Prothese. Ein Beruf, in dem ich viel stehe wie heutzutage, war damals für mich undenkbar. Ich habe mich damals vor allem damit befasst, endlich ein größeres Auto zu kaufen, damit mein Rollstuhl reinpasst. Ich war sehr traurig“, erinnert er sich. Die Rettung kam durch eine Operation zwei Jahre später an der Universitätsklinik Rostock, bei der Yildirims Oberschenkelknochen durchbohrt wurde und einen Titan-Anschluss erhielt, ein Metallimplantat, das durch die Haut ausgeleitet wird und nun aus dem Beinstumpf ragt. Daran kann eine neuartige Prothese fixiert und angeschlossen werden, die für viele Patienten eine ganz neue Lebensqualität bringt – eine erheblich bessere Bewegungskontrolle, ein authentisches Tragegefühl, ein natürliches Gehen. Auch Schaftprobleme und Weichteilbeschwerden an den Kontaktstellen gibt es damit nicht mehr.
Endo-Exo-Prothetik nennt man die Operationsmethode, die seit kurzem auch Chefarzt Prof. Dr. Jörn Zwingmann in Ravensburg anbietet. Endo und exo bedeuten auf griechisch innen respektive außen. „Beim klassischen Verfahren trägt man bisher einen Silikon-Liner auf den Stumpf auf und umschließt ihn mit einer Karbon-Hartschalenprothese“, erläutert Prof. Zwingmann. „Das ist aber nicht für alle Patienten das Beste. Wir können nun für ober- und unterschenkelamputierte Patienten, die mit klassischen Prothesen Beschwerden haben, als eine von wenigen Kliniken im Süden eine exzellente Alternative anbieten. Dr. Horst Aschoff hat die Endo-Exo-Methode vor 20 Jahren in Rostock erfunden. Mittels eines implantierten Titannagels, der im Oberschenkelknochen festwächst und der eine Art Adapter und Anschluss hat, kann die Prothese festgeschraubt werden. Gerade bei Patienten mit ultrakurzen Stümpfen wie Herrn Yildirim bewirkt dieses Verfahren eine enorme Lebenserleichterung“, so der Chefarzt.
Die Vorteile seien immens: Die Haut des Patienten werde nicht belastet, der Amputierte könne viel bequemer stehen, gehen und sitzen, er hinke nicht mehr, er erlebe die Prothese als Teil des eigenen Körpers. Tägliche Aktivitäten wie Gehen, Radfahren und sogar Sitzen erforderten zudem deutlich weniger Energie. „Patienten berichten, sie hätten damit ein ganz anderes Gefühl von Bodenkontakt und seien in jeder Form mobiler. Sie spüren, ihre Kraftübertragung bleibt im Knochen und damit in ihrem Körper, die Bewegung geht von ihnen selbst aus. Das ist eine ganz andere Form des Gehens, als wenn man von außen etwas aufs Bein steckt.“ Kazim Yildirim stimmt ihm zu: „Die Prothese fühlt sich an, als sei sie ein Teil meines Körpers. Seit ich sie habe, fühle ich mich wie neugeboren.“
Chefarzt Prof. Dr. Jörn Zwingmann (rechts),Kazim Yildirim aus Bad Wurzach, Orthopädietechniker, (Mitte) und sein Chef Wahid Akbarzada, Geschäftsführer der Orthopädietechnik Kühn in Ravensburg (links)