Aberglaube oder Segenskraft?
Wangen – Einen solchen Publikumsansturm hat der „Garten der Kirchen“ auf der Landesgartenschau in Wangen selten erlebt. Am Sonntagnachmittag (8. September) versammelten sich fast 300 Personen zum Vortrag „Wundersames Allgäu – Glaube und Frömmigkeit am Beispiel des Segenspfarrers Augustinus Hieber“.
Der Vortrag, gehalten von Dekan Kurt Susak aus dem schweizerischen Davos und musikalisch umrahmt von einer Gruppe Allgäuer Alphornbläser, erstreckte sich über zwei Stunden, ohne dass sich die Besucherreihen irgendwann gelichtet hätten.
Susak, der das Publikum von Anfang an fesselte, holte zunächst weit aus und erklärte die kulturgeschichtlichen Hintergründe, warum Glaube und Aberglaube im Allgäu sich so sehr etablierten und vermischten. Er berichtete wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig unterhaltsam von der Geschichte und dem Mysterium verschiedener Kraftorte im Allgäu wie des Heiligen Steins bei Merazhofen oder einer wundersamen Eiche bei Ratzenried.
Am Beispiel des 1968 verstorbenen Merazhofener Pfarrers Augustinus Hieber, der bis heute als „Segenspfarrer vom Allgäu“ verehrt wird, konnte er aber auch den Unterschied zwischen Glaube und Aberglaube aufzeigen. Susak ging ausführlich auf das Leben und Wirken Hiebers ein, der schon zu Lebzeiten die Menschen mit seiner Gabe der Seelenschau und seinen heilenden Gebeten beeindruckte. Dabei war Hieber kein Guru oder eine esoterische Figur, sondern ein gestandener Bauernsohn von der Ostalb, der als Schuldekan nicht nur die Verantwortung für den Religionsunterricht an 52 Allgäuer Schulen hatte, sondern sich auch erfolgreich gegen die Nationalsozialisten wehrte, die von ihm verlangen in allen Schulen die Kreuze abzuhängen. Noch heute leben Zeitzeugen, denen Pfarrer Hieber in jungen Jahren auf wundersame Weise geholfen hat oder die bezeugen, wie er ihnen persönliche Dinge in der Zukunft exakt voraussagte.
Woraus schöpfte Augustinus Hieber seine Kraft? Auch diese Frage beantwortete Susak, der das Publikum immer wieder in seinen Vortrag einbaute, indem er den Zuhörern Fragen stellte und immer wieder einzelne Teilnehmer persönlich ansprach.
Hieber inneres Potential, so Dekan Susak, war die tägliche Feier der heiligen Messe. Seine Segenskraft gewann er aus dem ihm geschenkten Sakrament der Priesterweihe. Und dieses Priestertum lebte er von Anfang leidenschaftlich und mit ganzem Ernst. Als er in Jugendtagen seinem Vater, der seinen einzigen Sohn als Hoferben vorsah, „beichtete“, dass er Priester werden wolle, antwortete ihm dieser: „Gut, aber dann wirst ein rechter oder gar keiner!“.
Diese Worte beherzigte Augustinus Hieber sein Leben lang. Doch war er darüber hinaus eben auch mit ganz besonderen Gaben ausgestattet, die anderen Priester und Menschen nicht gegeben sind. Er hat diese Gaben immer ganz in den Dienst der Menschen gestellt und tut es bis heute, so Susak, denn immer noch pilgern jährlich tausende Menschen an sein Grab. Dass die Pilger dort bis heute Hilfe und Beistand erfahren, konnte Dekan Susak, selbst Vorsitzender des Pfarrer Hieber Gedächtnisvereins, mit einer beeindruckenden Zahl bestätigen, dass an Hiebers Grab nämlich in den vergangenen Jahren mehr als 1.500 Gedenktafeln mit Sätzen wie „Pfarrer Hieber hat geholfen“, „Danke Pfarrer Hieber“, „Pfarrer Hieber half in großer Not auf wundersame Weise“ aufgestellt wurden.